Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflichten in einem Supermarkt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betreiber eines Supermarkts ist verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Kunden vor einem Sturz auf glattem oder rutschigen Boden zu bewahren. Dazu gehört bei einem größeren Supermarkt auch die Verhinderung von Nässe im Flur vor den Kundentoiletten.

2. Steht fest, dass eine Kundin in einem Bereich stürzt, in dem der Boden zum Unfallzeitpunkt nass war, ist im Wege eines Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass die Nässe für den Sturz ursächlich war.

3. Nässe auf dem Flur vor den Kundentoiletten ist ein objektiv pflichtwidriger Zustand. Daher muss der Betreiber des Supermarkts beweisen, dass alles Erforderliche im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht getan wurde.

Das betrifft zum einen die Organisation von regelmäßigen Kontrollen des Bodens und zum anderen die ordnungsgemäße tatsächliche Durchführung der Maßnahmen am Unfalltag.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 4 O 116/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 15.03.2019 -4 U 116/18 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.06.2018.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht tragen die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht wegen eines Sturzes in einem von der Beklagten in R. betriebenen Supermarkt.

Die Klägerin, die im Jahr 2018 als Außendienstmitarbeiterin für einen Vertrieb von Telefondienstleistungsverträgen tätig war, begab sich am 14.05.2018 gegen 12:00 Uhr in den Supermarkt der Beklagten in R.. Die Klägerin kaufte für sich ein Getränk. Sie besuchte, ebenso wie mehrere ihrer Kollegen, die zum Supermarkt gehörende Kundentoilette.

Die Klägerin hat vorgetragen: Im Flur vor dem Eingang zur Damentoilette sei der Boden nass gewesen. Die Nässe habe sie wegen der schlechten Beleuchtung des Flurs nicht bemerkt. Beim Verlassen des Vorraums der Damentoilette sei sie wegen der Nässe ausgerutscht und gestürzt. Sie sei mit dem rechten Fuß umgeknickt und habe sofort heftige Schmerzen im Fuß verspürt. Sie habe eine Außenbanddistorsion des rechten oberen Sprunggelenks erlitten, so dass sie sechs Wochen lang nur mit Krücken mühsam gehen konnte und längere Zeit unter erheblichen Schmerzen gelitten habe. Erst im Laufe des September 2018 seien die Schwellung des Fußes und die Schmerzen soweit zurückgegangen, dass sie den Fuß wieder normal belasten konnte. Sie hat die Auffassung vertreten, für die unfallursächliche Nässe im Flur vor der Damentoilette sei die Beklagte verantwortlich. Sie sei ihrer Verkehrssicherungspflicht in dem betreffenden Bereich nicht nachgekommen. Daher sei sie zur Zahlung von Schadensersatz (Verdienstausfall) und Schmerzensgeld verpflichtet; die Klägerin hat einen unbezifferten Schmerzensgeldantrag gestellt. Unter Berücksichtigung der Unfallfolgen müsse sich ein angemessenes Schmerzensgeld jedenfalls in einer Größenordnung von 2.000,00 EUR bewegen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Den von der Klägerin vorgetragenen Unfallablauf hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls sei sie für einen etwaigen nässebedingten Sturz der Klägerin nicht verantwortlich. Denn die Toiletten und der Zugang zu den Toiletten würden von den Mitarbeitern des Supermarkts regelmäßig in einem stündlichen Abstand kontrolliert. Dies sei auch am Unfalltag geschehen. Bei der letzten Kontrolle vor dem Unfall sei der Fußboden trocken gewesen. Wenn der Boden innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der letzten Kontrolle aus unbekannten Gründen nass geworden sei, könne die Beklagte dafür nicht verantwortlich gemacht werden. Einen Sturz einer Kundin wegen Feuchtigkeit oder Nässe habe es im Supermarkt der Beklagten in der Vergangenheit noch nie gegeben.

Das Landgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klägerin angehört und mehrere Zeugen zu dem vorgetragenen Unfall vernommen. Mit Urteil vom 15.03.2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Eine Haftung der Beklagten scheide schon aus Rechtsgründen aus. Für den Bereich des Flurs, in dem die Klägerin gestürzt sei, habe eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht bestanden. Während im Verkaufsbereich des Supermarkts, insbesondere in der Obst- und Gemüseabteilung, generell eine Pflicht bestehe, für eine Beseitigung von Rutschgefahren durch Obst- und Gemüsereste zu sorgen, gebe es eine entsprechende Kontrollp...

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