Hier ist die Widerlegung der Indizwirkung durch tatbezogene Besonderheiten kaum möglich, da die Unterschreitung des Sicherheitsabstands grds. nur dann ordnungswidrig ist, wenn sie nicht nur ganz vorübergehend geschieht.[14] So deutet etwa das Unterschreiten des gebotenen Mindestabstandes in Fällen, in denen nach der Tabelle 2 zur BKatV ein Fahrverbot in Betracht zu ziehen ist, nahezu zwingend auf eine auch subjektiv grobe Pflichtverletzung hin.[15] So sind etwa weder emotionale Belastung noch zeitlicher und psychischer Stress geeignet, bei einem Abstandsverstoß nur einfache Fahrlässigkeit anzunehmen.[16]

Der Gesichtspunkt der fehlenden abstrakten Gefahr, die in anderen Fällen zu einem fahrverbotsrelevanten Wegfall des Erfolgsunwertes der Tat führen kann, kann hier nicht fruchtbar gemacht werden, da aufgrund der Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer bei dem Verstoß das Auffahren stets (sogar konkret) gefährlich ist. Aus Verteidigersicht denkbar ist ein Mitverschulden als Grund, ein Absehen vom Fahrverbot auf Tatbestandsseite zu erreichen. Ein solches Mitverschulden würde jedoch bereits den Tatbestand des Abstandsverstoßes in Frage stellen. Dieser scheidet nämlich aus, wenn der Abstand während des Messvorgangs keine wesentlichen Veränderungen durch Abbremsen des vorausfahrenden oder Einscheren eines anderen Fahrzeugs erfahren hat.[17] Auch die Tatsache, dass ein Betroffener als von hinten selbst bedrängter Fahrzeugführer einem vor ihm fahrenden Fahrzeug zu eng auffährt, hat keine den objektiven oder subjektiven Unrechtsgehalt des grob pflichtwidrigen Abstandsverstoßes herabsetzende Bedeutung.[18] Dieser Gesichtspunkt ist also auch nicht etwa als Notstand (§ 16 OWiG)[19] oder "notstandsähnliche Handlung" anzusehen. Erst recht kann von der Anordnung eines Regelfahrverbotes wegen eines Abstandsverstoßes nicht mit der Begründung abgesehen werden, das nachfolgende Fahrzeug sei auf der Beobachtungsstrecke gefahrvoll auf den Betroffenen aufgefahren, wenn dieser bereits zuvor den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug in pflichtwidriger Weise unterschritten hatte.[20] Das bloße knappe Unterschreiten des die Fahrverbotsanordnung indizierenden unteren Tabellengrenzwerts (sog. Fahrverbotsschwelle) rechtfertigt allein kein Absehen vom Fahrverbot.[21]

[14] Burmann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, StVR, 25. Aufl. 2018, § 4 Rn 20; König in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 45. Aufl. 2019, § 4 StVO, Rn 15 jeweils mit zahlreichen Nachweisen. Hierzu auch: OLG Hamm, Beschl. v. 9.7.2013 – 1 RBs 78/13; OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 – 3 RBs 264/14; AG Lüdinghausen NZV 2013, 355.
[15] OLG Bamberg, Beschl. v. 10.3.2011 – 2 Ss OWi 1889/10 = BeckRS 2011, 18644; hierzu auch: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, § 5 Rn 357.
[17] Vgl. OLG Köln VRS 66, 463, 465.
[19] OLG Bamberg NZV 2015, 309 = DAR 2015, 396.

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