Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung. Straßenverkehr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Tatbestandsmäßig im Sinne einer vorwerfbaren Abstandsunterschreitung gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO; § 24 StVG handelt bereits, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeld-Tatbestand gewährten Abstand unterschreitet.

2. Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne.

 

Normenkette

StVG § 24; StVO §§ 4, 49

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Aktenzeichen 37 OWi 302 Js 3721/14 (552/14))

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§ 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil vom 30.06.2014 wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 € verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt.

II.

Die Rechtsbeschwerde war dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG zu übertragen, da es geboten ist, das angefochtene Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen einer vorwerfbaren Unterschreitung des zulässigen Sicherheitsabstandes im Straßenverkehr nachzuprüfen. Dies ist eine Entscheidung der Einzelrichterin des Senates.

III.

1.

Das Amtsgericht hat zur Person des Betroffenen festgestellt, dass gegen ihn mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde des Regierungspräsidiums L vom 08.01.2013 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften (BAB A 45 am 25.11.2012 um 20.17 Uhr) als Führer eines Pkw in E eine Geldbuße in Höhe von 80,00 Euro verhängt worden war.

Weiter wurden gegen ihn mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde der Stadt G vom 06.02.2013, rechtskräftig seit dem 19.03.2013, wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis eine Geldbuße von 500,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Das Fahrverbot lief bis zum 21.06.2013.

2.

Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene am 05.09.2013 um 14.52 Uhr als Führer des Pkw der Marke Audi, amtliches Kennzeichen ####, die BAB A 2 in Bielefeld in Fahrtrichtung Dortmund befuhr. Bei Kilometer 337,500 hielt er den erforderlichen Abstand von mindestens 62 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein. Der Betroffene fuhr zur Tatzeit eine festgestellte Geschwindigkeit von 128 km/h, von der nach Abzug von 4 km/h Toleranz eine ihm zur Last gelegte Geschwindigkeit von 124 km/h verblieb. Der Sicherheitsabstand zu seinem Vordermann betrug 17 m.

Festgestellt wurde der Abstandsverstoß mit einem gültig geeichten Verkehrs-Kontrollsystem des Typs VKS 3.0 mit dem dazugehörigen Auswerteprogramm Version 3.2 3D der Firma W.

Das Amtsgericht hat weiter festgestellt, dass von anderen Verkehrsteilnehmern veranlasste Gründe für die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zu dem vor dem Betroffenen fahrenden Kraftfahrzeug nicht ersichtlich waren. Nach dem in Augenschein genommenen Videofilm sei das dem Betroffenen unmittelbar vorausfahrende Fahrzeug auf der dort erkennbaren Strecke der Autobahn A 2 von insgesamt mindestens 500 m nicht vor dem Betroffenen eingeschert. Auf dem Videofilm sei das Fahrzeug des Betroffenen vom Beginn der Videoaufzeichnung bis kurz vor Beginn der Messung nicht zu sehen. Erst unmittelbar vor Beginn der Messung (etwa 100 m vorher) trete das Fahrzeug des Betroffenen hinter dem vorausfahrenden größeren Fahrzeug erkennbar hervor. Da auf dem Videofilm ebenfalls zu sehen sei, dass das Fahrzeug des Betroffenen zu keiner Zeit der Aufzeichnung des Beobachtungsbereichs hinter das vorausfahrende Fahrzeug eingeschert sei, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich von Beginn der Aufzeichnung an hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug befunden habe und lediglich aufgrund des zu geringen Abstands nicht zu sehen gewesen sei, da es sich im toten Blickwinkel hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug befand. Aufgrund der fehlenden Sichtbarkeit des Fahrzeugs des Betroffenen vom Beginn der Videoaufzeichnung an bis kurz vor Beginn der Messung sei davon auszugehen, dass der Betroffene mit gleichbleibender Geschwindigkeit und gleichbleibendem Abstand die gesamte durch die Kamera einsehbare Strecke der Autobahn A 2 hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug geblieben sei. Eine Verlangsamung des vor ihm fahrenden Fahrzeugs sei nämlich - so die Fests...

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