Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Absehens von Fahrverbot bei Abstandsverstoß

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von der Anordnung eines Regelfahrverbotes wegen eines Abstandsverstoßes kann nicht mit der Begründung abgesehen werden, das nachfolgende Fahrzeug sei auf der Beobachtungsstrecke gefahrvoll auf den Betroffenen aufgefahren, wenn dieser bereits zuvor den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug in pflichtwidriger Weise unterschritten (Fortführung von OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2015 - 3 Ss OWi 160/15 = NJW 2015, 1320 = DAR 2015, 396).

2. Der gegen die Anordnung eines Regelfahrverbotes wegen eines Abstandsverstoßes vorgebrachte Einwand, ein unerwarteter Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs vor der Beobachtungsstrecke bei gleichzeitigem gefahrvollen Auffahren des nachfolgenden Fahrzeugs ist nur beachtlich, wenn es dem Betroffenen bis zur Messung weder möglich war, die durch das Ausscheren des vorausfahrenden Fahrzeugs geschaffene Lücke auf der benachbarten Fahrspur zu nutzen, noch durch behutsame Verringerung der eigenen Geschwindigkeit den Abstand zum Vordermann signifikant zu steigern.

 

Normenkette

StVG § 24 Abs. 1; StVO § 49 Abs. 1 Nr. 4; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BKat § 1 Abs. 1 Anlage 13 Nr. 12.6.3 Tab. 2; StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; StVO § 4 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Bußgeldstelle setzte mit Bußgeldbescheid vom 27.06.2014 wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug (§ 4 I Satz 1 StVO) gegen den Betr. eine Geldbuße von 160 Euro fest und verhängte zudem ein Fahrverbot für die Dauer 1 Monats nach Maßgabe des § 25 IIa StVG. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Betr. form- und fristgerecht Einspruch ein, den er in der Hauptverhandlung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Das AG verurteilte den Betr. zu einer Geldbuße von 240 Euro; von der Anordnung eines Fahrverbots sah es demgegenüber ab. Nach den Feststellungen im Bußgeldbescheid und den ergänzenden Feststellungen des AG steuerte der Betr. am 08.05.2014 um 09.24 Uhr einen Pkw auf der BAB A 8 in Fahrtrichtung M. auf der linken von 3 Fahrspuren, wobei er bei Kilometer 2.706, Abschnitt 420 bei einer Geschwindigkeit von 124 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von weniger als 3/10 des halben Tachowertes (16,87 Meter) einhielt. Gegen das vorbezeichnete Urteil wendet sich die StA mit ihrer mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerde. Sie beanstandet die unterlassene Verhängung eines Regelfahrverbots. Das Rechtmittel erwies sich als erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 3 OWiG) sowie auch im Übrigen zulässige und wegen der wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung ohnehin nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffende Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde der StA ist zulässig. Sie wurde nach Erlass des Urteils vom 22.10.2014 am 04.11.2014 eingelegt und am 20.11.2014 ordnungsgemäß begründet. Ein Fall vorsorglicher, d.h. vor Erlass des Urteils erfolgter Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 341 Rn. 4; KK-Gericke StPO 7. Aufl. § 341 Rn. 4) liegt somit nicht vor. Auf den Zeitpunkt der (wirksamen) Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe an die StA kommt es entgegen der Rechtsauffassung des Betr. nicht an.

2. Das AG hat festgestellt, dass der Betr. schon auf einer Strecke von 300 Metern vor der eigentlichen Messstrecke in gleichbleibend knappem Abstand hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug herfuhr, wobei es weder zu erkennbaren Geschwindigkeits- noch Abstandsveränderungen der beiden Fahrzeuge oder zu einem Ein- oder Ausscheren der beteiligten Fahrzeuge oder anderer Fahrzeuge kam. Der Abstand des Betr. zum unmittelbar vorausfahrenden Fahrzeug wurde bei kontinuierlichem Verkehrsfluss im gesamten Bereich der Beobachtungsstrecke auch nicht durch ein Abbremsen des Vordermanns verkürzt. Gleichwohl erkennt das AG außergewöhnliche Umstände in der konkreten Verkehrssituation. Wenige hundert Meter vor der eigentlichen Messstelle sei nämlich das vor dem Betr. fahrende Fahrzeug auf die linke Fahrspur gewechselt, um ein anderes Auto zu überholen. Der Betr. sei davon ausgegangen, dass sein Vordermann dieses Überholmanöver nach Passieren des langsameren Fahrzeugs unverzüglich beenden werde. Tatsächlich sei der Vordermann aber sogar langsamer geworden und nicht auf die mittlere Spur gewechselt, als die Messstelle näher gekommen sei. Der Betr. habe auch keine Möglichkeit gehabt, den Abstand wiederherzustellen, da der Hintermann sehr dicht aufgefahren sei. Ein Ausweichen auf die mittlere Spur sei dem Betr. verwehrt gewesen, da auf seiner Höhe ein Fahrzeug gefahren sei.

a) Wie das AG richtig erkannt hat, kam hier wegen des rechtskräftig festgestellten Abstandsverstoßes gemäß §§ 24, 25 I 1 [1. Alt.], 26 a StVG i.V.m. § 4 I 1 Nr. 2 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 12.6.3 Tab. 2 zum BKat die Anordnung eines Regelfahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in B...

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