Den Schwerpunkt des Individualreiserechts stellt auch im Berichtszeitraum 2020 wieder das Luftbeförderungsrecht dar.[43] Insbesondere zur Fluggastrechteverordnung[44] erging eine umfangreiche Rechtsprechung. Vorab ist anzumerken, dass die Fluggastrechteverordnung (einschließlich der dort in Art. 8 Abs. 1 geregelten 7-tägigen Flugpreiserstattungsfrist) auch während der COVID-19-Pandemie unverändert galt und nach wie vor gilt.[45] Allerdings erließ die EU-Kommission (unverbindliche) Auslegungsleitlinien.[46] Nach Auffassung der Kommission sind die Maßnahmen, die Behörden zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergreifen, ihrer Art und Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit von Beförderern und von diesen tatsächlich nicht zu beherrschen (m.E. grundsätzlich zutreffend insb. zu Beginn der Krise). Beim Vorliegen der weiteren Entlastungsvoraussetzungen führt dies aber nur zum Wegfall der Ausgleichsansprüche gemäß Art. 7. Die Ansprüche der betroffenen Fluggäste auf Unterstützungsleistungen gemäß Art. 8 (Erstattung oder anderweitige Beförderung) und Art. 9 (Betreuungsleistungen)[47] bleiben grundsätzlich bestehen.

[43] Zur Veröffentlichung unvollständiger Flugpreisangebote im Internet: EuGH (7. Kammer), Urt. v. 23.4.2020 – C-28/19 "Ryanair" (PM Nr. 49/20), BeckRS 2020, 6402 = CR 2020, 400 = EuZW 2020, 439 = GRUR 2020, 995 = K&R 2020, 428 = MMR 2020, 752 = NJW 2020, 1793; zu den Haftungshöchstbeträgen gem. Art. 17 II, 22 II MÜ bei Verlust des Reisegepäcks: EuGH (4. Kammer), Urt. v. 9.7.2020 – C-86/19 "SL/Vueling Airlines SA", BeckRS 2020, 15186 = RRa 2020, 219; zur Corona-Rückholaktion des Auswärtigen Amtes: Baumert, NJW-aktuell 9/2020, 15; Conradt/Köster, RRa 2020, 266.
[44] Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl L 46, S. 1); vertiefend dazu Schmid, RRa 2020, 2; Führich, MDR 2020, 1351; zur Beförderungsverweigerung wegen unzureichender Reisedokumente: EuGH (3. Kammer), Urt. v. 30.4.2020 – C-584/18 "D.Z./Blue Air – Airline Management Solutions SRL u.a." (PM Nr. 53/20), BeckRS 2020, 7120 = RRa 2020, 124; zu den Folgen einer bloßen Umleitung zu einem Ausweichflughafen in der Nähe des vorgesehenen Zielflughafens: Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts Priit Pikamäe v. 3.12.2020 – C-826/19 "WZ/Austrian Airlines AG" (PM Nr. 154/20), BeckRS 2020, 33524; die Verordnung ist nicht anzuwenden bei Flügen mit Tickets zum der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Vorzugstarif unter Anwendung von Autorisierungscodes im Zusammenhang mit Sport-Sponsoring, so EuGH (9. Kammer), Beschl. v. 26.11.2020 – C-316/20 "SATA", BeckRS 2020, 34319.
[45] Vgl. Augenhofer, NJW-aktuell 19/2020, 3; Ziegenhardt, zfs 2020, 423.
[46] Mitteilung der Kommission vom 18.3.2020: Auslegungsleitlinien zu den EU-Verordnungen über Passagierrechte vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Situation im Zusammenhang mit Covid-19.
[47] Keine Haftung des Luftfahrtunternehmens für einen Schaden, der dem Fluggast während seines Aufenthalts in dem angebotenen Hotel durch Fehlverhalten des Hotelpersonals entsteht: EuGH (8. Kammer), Urt. v. 3.9.2020 – C-530/19, BeckRS 2020, 21412 = DAR 2020, 563 = NJW-RR 2020, 1375.

I. Örtliche Zuständigkeit bei einheitlicher Buchung

Mit Beschl. v. 13.2.2020[48] entschied der EuGH, dass bei einem Flug, für den eine einheitliche bestätigte Buchung vorliegt und der in mehreren Teilflügen von verschiedenen Luftfahrtunternehmen ausgeführt wird, der wegen Annullierung des letzten Teilflugs bestehende Ausgleichsanspruch vor den Gerichten des Abflugorts des ersten Teilflugs geltend gemacht werden kann. Dort befindet sich ein Erfüllungsort im Sinne der Brüssel-Ia-VO,[49] selbst wenn sich die Klage gegen das mit dem letzten Teilflug beauftragte Luftfahrtunternehmen richtet und der Fluggast mit diesem Unternehmen in keiner direkten Vertragsbeziehung steht.[50]

[48] EuGH (6. Kammer), Beschl. v. 13.2.2020 – C-606/19 "flightright/Iberia" (PM 16/20 v. 20.2.2020), BeckRS 2020, 1803 = EWS 2020, 118 = NJW 2020, 1130 (LS) = NZV 2020, 358 (m. Anm. Haupt).
[49] Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl L 351 S. 1 (Brüssel Ia-VO).
[50] So später auch zur Flugbuchung über ein Reisebüro bzw. im Rahmen einer Pauschalreise: EuGH (1. Kammer), Urt. v. 26.3.2020 – C-215/18 "Libuše Králová/Primera Air Scandinavia A/S" (PM Nr. 37/20), EuZW 2020, 632 = JZ 2020, 899 (m. Anm. Segger-Piening) = NJW-RR 2020, 552 = TranspR 2020, 312 (m. Anm. Möllring); zu unwirksamen Gerichtsstandsklauseln in Luftbeförderungsverträgen: EuGH (1. Kammer), Urt. v. 18.11.2020 – C-519/19 "Ryanair", BeckRS 2020, 31152 = NJW-RR 2021, 240 = NZV 2021, 36 (m. Anm. Staudinger); zur internationalen Zuständigkeit ...

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