Fluggastrechte bei Flugstornierungen und Verspätungen

Das Chaos an deutschen Flughäfen trifft zurzeit einen Großteil der Flugpassagiere. Welche Rechte haben sie, wenn der Flieger wegen überlanger Abfertigung schon weg ist, der Flug sich stundenlang verspätet oder komplett gecancelt wird?

In Deutschland sind zur Zeit die Medien voll von Berichten über chaotische Zustände an deutschen Flughäfen. Die Flugbranche insgesamt und insbesondere das Sicherheitspersonal leidet an akutem Personalnotstand. Flugausfälle, Verspätungen, zu spät am Zielort ankommendes Gepäck - das alles ist der derzeitige Normalzustand im Flugverkehr.

Flug gecancelt oder verspätet - wie ist die Rechtslage?

Die Fälle, in denen der Reisende erst am Flughafen davon erfährt, dass der Flug gecancelt oder erheblich verspätet ist, häufen sich ausgerechnet zur Hauptferienzeit. Welche Rechte hat der Fluggast in diesem Fall? Zum Leidwesen der Flugpassagiere sind die rechtlichen Regelungen für diese Fälle äußerst komplex ausgestaltet.

Unterschiedliche Regelungen für europäische und außereuropäische Flüge

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen europäischen und außereuropäischen Flügen. Um einen europäischen Flug handelt es sich, wenn der Flug innerhalb der EU startet oder von einer europäischen Fluggesellschaft mit einem innereuropäischen Ziel durchgeführt wird. Die Ansprüche für europäische Flüge sind im wesentlichen in der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004/EG, bei anderen internationalen Flügen sind die Ansprüche im Montrealer Übereinkommen (MÜ) geregelt. Das MÜ gilt allerdings nur für Flüge in den 137 Staaten, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben.

Fluggastrechte bei europäischen Flügen

Die EU-Fluggastrechteverordnung regelt EU-weit dezidiert die Ansprüche des Fluggastes im Falle nicht oder nicht vertragsgerecht durchgeführter Flüge.

Ansprüche bei Flugannullierung und starker Verspätung

Im Fall einer Flugannullierung, einer Überbuchung oder einer Verspätung der Ankunft am Zielort ab 3 Stunden hat der Reisende in diesem Fall einen Anspruch auf Ausgleichszahlung Zunächst muss im Fall einer Flugannullierung die Airline den bereits gezahlten Flugpreis erstatten. Angebotene Gutscheine muss der Fluggast nicht annehmen. Der Fluggast sollte in diesen Fällen noch am Flughafen seinen Anspruch auf kostenlose Umbuchung auf einen anderen Flug geltend machen. Kommt die Fluggesellschaft dem nicht nach, hat der Reisende das Recht, selbst einen Ersatzflug zu buchen. Bei Pauschalreisen ist der Reiseveranstalter zur Buchung eines Ersatzfluges pflichtet.

Recht zum Rücktritt

Hat der Reisende das Interesse an der Reise durch die Annullierung verloren, kann er vom Vertrag zurücktreten und Erstattung des Flugpreises verlangen. Im Falle eines bereits durchgeführten Teilfluges kann der Fluggast Rückbeförderung zum Startpunkt verlangen.

Ausgleichsansprüche bei Verspätungen

Die Annullierung eines Fluges sowie einer Verspätung ab 3 Stunden am Zielort löst einen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung aus, die sich nach der Länge des Fluges bemisst. Diese beträgt

  • bei einer Kurzstrecke bis 1.500 km 250 Euro,
  • bei einer Mittelstrecke von 1.500-3.500 km 400 Euro,
  • bei einer Langstrecke ab 3.500 km 600 Euro.

Hinweis: Die Airlines sind zur Halbierung dieser Entschädigungssummen berechtigt, wenn sie innerhalb festgelegter Zeitfenster einen zumutbaren Alternativflug anbieten.

Anspruch „gestrandeter“ Fluggäste auf Unterstützungsleistungen

Darüber hinaus hat der Fluggast im Falle einer Annullierung oder Verspätung von mindestens 5 Stunden gemäß Art. 8 der Fluggastrechteverordnung einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen sowie nach Art. 9 auf Betreuungsleistungen, wie Mahlzeiten und Erfrischungen und gegebenenfalls eine Hotelunterbringung.

Ausnahmen von der Entschädigungspflicht

Keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung hat der Fluggast, wenn

  • er mindestens 2 Wochen vor dem geplanten Abflug über die Annullierung informiert wird,
  • der Fluggast 7-14 Tage vor dem planmäßigen Abflug über die Annullierung informiert wird und die Fluggesellschaft eine anderweitige Beförderung anbietet, bei der der Abflug frühestens 2 Stunden vor der ursprünglich geplanten Startzeit und die Ankunft höchstens 4 Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit liegt,
  • die Airline den Fluggast weniger als 7 Tage vor dem planmäßigen Abflug informiert und eine anderweitige Beförderung anbietet, bei der der Abflug frühestens 1 Stunde vor der ursprünglich geplanten Startzeit liegt und die Ankunftszeit höchstens 2 Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit.

Keine Entschädigungsansprüche bei außergewöhnlichen Umständen

Im Falle außergewöhnlicher Umstände sind die Airlines von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung befreit. Außergewöhnliche Umstände sind beispielsweise Unwetter, Streik, Naturkatastrophen oder politische Unruhen. Umstritten ist, unter welchen Umständen die Annullierung eines Fluges wegen der Corona-Pandemie einen außergewöhnlichen Umstand darstellt. In jedem Fall muss die Fluggesellschaft das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände beweisen und darüber hinaus nachweisen, alle zumutbaren Maßnahmen getroffen zu haben, um die Beeinträchtigungen für den Fluggast so gering wie möglich zu halten.

Ansprüche bei nichteuropäischen Flügen

Bei Nicht-EU Flügen hat der Fluggast nach dem MÜ einen Anspruch auf Ersatz des gesamten Schadens, der ihm durch die Verspätung entstanden ist. Nachteil: Den Fluggast trifft die komplette Darlegungs- und Beweislast z.B. für Übernachtungskosten und Kosten für Ersatzkleidung. Die Airline kann sich entlasten, wenn sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen hat. Der ersatzpflichtige Schaden ist nach dem MÜ darüber hinaus auf maximal 5.600 Euro für Personenschäden und maximal 1.500 Euro für Gepäcksschäden begrenzt.

Besonderheiten bei Pauschalreisen

Pauschalreisende sind in diesen Fällen häufig privilegiert. Trifft der Flug später als geplant am Urlaubsort ein, so ist dies ein Reisemangel, der zu einer Minderung des Reisepreises berechtigt. Verkürzt sich durch die verspätete Ankunft der Urlaub erheblich (30-40 %) ist auch ein Entschädigungsanspruch wegen vertaner Urlaubszeit möglich. Außerdem besteht in diesem Fall die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag.

Gepäck verloren oder verspätet

Geht das Gepäck verloren, wird beschädigt oder kommt verspätet an, sollte der Fluggast bereits am Flughafen einen „Property Irregularity Report“ (PIR-Formular) ausfüllen, das normalerweise an jedem Flughafenschalter bereitliegt. Der Verlust und die Beschädigung des Gepäcks muss darüber hinaus innerhalb von 7 Tagen schriftlich bei der Airline angemeldet werden, eine Gepäckverspätung spätestens 21 Tage nach Eintreffen des Gepäcks. Das gleiche gilt für Pauschalurlauber, die den Verlust oder die Beschädigung dem Reiseveranstalter melden müssen.

Schadenersatz bei Gepäcksverlust und Gepäckverspätung

Grundsätzlich haben Flugpassagiere im Fall des Verlustes oder der verspäteten Ankunft des Reisegepäcks Anspruch auf Schadenersatz. Fehlt der Koffer am Urlaubsort, so kann der Reisende sich Ersatzkleidung und Toilettenartikel kaufen und die Kosten hierfür der Airlines in Rechnung stellen. Der Einkauf sollte sich allerdings auch das Notwendige beschränken und keine überteuerten Markenartikel beinhalten. Die Vorlage der Kaufbelege ist in jedem Fall Pflicht. Außerdem kann die Airline gegebenenfalls Abzüge vornehmen, wenn die Ersatzkleidung für den Reisenden auch zukünftig von Nutzen ist. Der Ersatzanspruch ist auf 1.500 Euro begrenzt.

Anspruch auf Minderung des Reisepreises für Pauschalreisende

Auch bei nicht vertragsgerechter Gepäckbeförderung haben Pauschalreisende die Möglichkeit der Minderung des Reisepreises, da auch dies einen Reisemangel darstellt. Hier sollte der Verlust oder die Verspätung bereits am Reiseort bei der Reiseleitung oder dem Reiseveranstalter gemeldet werden. Die Gerichte sprechen bei verspäteter Gepäckankunft pro Verspätungstag 15-50 % des tageweise ungelegten Reisepreises als Minderungsbetrag zu.

Sonderproblem: Überlange Sicherheitskontrollen – Flug verpasst

Besonders unbefriedigend ist die aktuell häufig vorkommende Situation, dass Fluggäste wegen überlanger Schlangen und Wartezeiten bei der Sicherheitskontrolle verblüfft feststellen müssen, dass der Check-In nicht mehr möglich ist, weil der Flieger bereits abgehoben hat. Hier bleibt der Fluggast oft der Dumme. Voraussetzung dafür, dass der Fluggast in diesen Fällen überhaupt eine Chance auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hat, ist der Nachweis, dass er sich 2 Stunden - besser 3 Stunden - vor dem geplanten Abflug am Check-In-Schalter eingefunden hat. Ein Selfie mit Zeitangabe kann hier äußerst hilfreich sein.

Aufopferungsanspruch gegenüber der Bundesrepublik

Verpasst er den Flug trotz normalerweise ausreichendem Vorlauf, kann dies einen Aufopferungsanspruch gegenüber der Bundesrepublik auslösen. Gemäß § 4 BPolG ist nämlich die Bundespolizei für die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen verantwortlich mit der Folge, dass Reiseveranstalter und Fluggesellschaften in diesem Bereich nicht haften. Die Geltendmachung eines solchen Aufopferungsanspruchs ist durchaus nicht aussichtslos. Das OLG Frankfurt hat in einem solchen Fall Reisenden einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für Ersatztickets sowie für erforderliche Übernachtungen gegenüber der Bundesrepublik zugesprochen (OLG Frankfurt, Urteil v. 27.1.2022, 1 U 220/20).


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