Welche Auswirkungen es hat, wenn eine bedürftige, um PKH nachsuchende Partei durch denselben Rechtsanwalt vertreten wird wie ihr finanziell leistungsfähiger Streitgenosse, ist in Rspr. und Literatur seit Jahrzehnten umstritten. Dieser Streit tritt in zwei verschiedenen Fallgestaltungen auf, die in der Praxis nicht immer unterschieden werden.

Entscheidung im PKH-Bewilligungsverfahren

Im PKH-Bewilligungsverfahren nimmt der II. ZS des BGH hier und in 6 weiteren Parallelverfahren ebenso wie wohl die überwiegende Anzahl der OLG eine Beschränkung der PKH-Bewilligung auf die Erhöhungsbeträge/Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG vor. Allerdings werden derartige Beschränkungen von verschiedenen Gerichten als unzulässig angesehen (OLG Köln JurBüro 2005, 429; OLG Oldenburg FamRZ 2004, 106; LG Berlin JurBüro 1996, 434). Gleichwohl ist die Beschränkung der Bewilligung der PKH auf die Erhöhungsbeträge/Gebührenerhöhung für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG) im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend (Bay. LSG RVGreport 2013, 467 [Hansens] = AGS 2013, 478). Allerdings stellt sich bei der Beschränkung der PKH auf die Erhöhungsbeträge/Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG die Frage, ob dem so beigeordneten Rechtsanwalt auch die auf die Gebührenerhöhung entfallende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG aus der Staatskasse zusteht. Die gleiche Frage kann sich für die anteilige Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV RVG stellen.

Probleme können ferner dann entstehen, wenn der nicht bedürftige Streitgenosse frühzeitig aus dem Rechtsstreit ausscheidet. Verstirbt beispielsweise im Fall des BGH der Bekl. zu 2 nach Einreichen der Klageschrift, so wird der Rechtsstreit nur hinsichtlich seiner Person gem. § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen, gegen die Bekl. zu 1 als einfache Streitgenossin hingegen weitergeführt. Der Prozessbevollmächtigte würde auch dann nur die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG aus der Landeskasse erhalten, wenn er nur für die bedürftige Bekl. zu 1 einen Verhandlungstermin wahrnimmt, zu dem er angereist ist und er einen Vergleich schließt. Für die Terminsgebühr, die Einigungsgebühr und die Geschäftsreiseauslagen könnte der Anwalt dann die bedürftige Bekl. in Anspruch nehmen, weil die PKH-Bewilligung die vorgenannten Gebühren und Auslagen nicht erfasst.

Uneingeschränkte PKH-Bewilligung für einen Streitgenossen

Welche Vergütung dem PKH-Anwalt zusteht, wenn er zwei oder mehrere Streitgenossen vertritt, von denen nur einem Streitgenossen PKH ohne Einschränkung bewilligt worden ist, ist ebenfalls seit Jahrzehnten umstritten.

Anspruch nur auf die Gebührenerhöhung

Der 13. ZS des OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.7.2008 – 13 W 55/06 verteidigt die unter I. aufgeführte Auffassung zur eingeschränkten PKH-Bewilligung und will sie überdies in den Fällen anwenden, in denen einem der beiden Streitgenossen PKH unbeschränkt bewilligt wurde und in denen beide Streitgenossen bedürftig waren.

Anspruch auf eine Quote

Eine andere Meinung will dem PKH-Anwalt gegen die Staatskasse einen Anspruch auf eine Quote zubilligen, die sämtliche angefallenen Gebühren einschließlich der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller Streitgenossen setzt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 22.6.2016 – L 7 AS 152/15 B; AGS 2007, 91; OLG Köln NJW-RR 1999, 725 und AGS 2010, 496 m. Anm. Schneider; OLG Jena OLGR 2007, 163 = Rpfleger 2006, 663; OLG Zweibrücken OLGR Zweibrücken 2004, 139; KG, Beschl. v. 27.3.2012 – 5 W 265/11; Rönnebeck NJW 1994, 2273, 2274).

Voller Vergütungsanspruch ohne Gebührenerhöhung

Die herrschende Ansicht gesteht dem PKH-Anwalt gegen die Staatskasse einen Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren, jedoch ohne die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG (früher § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO) zu (OLG München JurBüro 1997, 89 = AnwBl. 1998, 52 und AGS 2011, 76 = JurBüro 2011, 146; OLG Celle AGS 2007, 250; OLG Karlsruhe – 15. ZS – AGS 2013, 20 = JurBüro 2012, 593; OLG Stuttgart JurBüro 1997, 200; OLG Zweibrücken AGS 2009, 126; Bay. LSG RVGreport 2013, 467 [Hansens] = AGS 2013, 478; Thür. LSG, Beschl. v. 25.3.2015 – L 6 SF 163/15 B; LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2018, 297 [ders.] = AGS 2018, 421; Sächs. LSG RVGreport 2015, 17 [ders.] = AGS 2014, 577; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl. 2019, § 49 Rn 11; AnwKomm-RVG/Fölsch/Schafhausen/Schneider/Thiel, 8. Aufl. 2017, § 48 Rn 108; Hartung in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 48 Rn 11 und § 49 Rn 25; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 49 Rn 6).

Auswirkungen auf die Praxis

Rechtsbehelfe

Der Prozessbevollmächtigte der bedürftigen Partei muss diese beiden unterschiedlichen Verfahrenslagen bei der Frage, welche Rechtsbehelfe hiergegen ergriffen werden, berücksichtigen. Wird dem bedürftigen Mandanten PKH hinsichtlich der Anwaltsvergütung nur auf die Gebührenerhöhung beschränkt bewilligt, so ist hierdurch allein beschwert der Mandant. Der Rechtsanwalt muss deshalb ausdrücklich für seinen Mandanten den gegebenen Rechtsbehelf einlegen.

Wird hingegen dem Festsetzungsa...

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