Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Gebührenfestsetzung bei der Verbindung von Verfahren. Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei ungewöhnlicher Rechtsfrage. Festsetzung nicht geltend gemachter Gebühren nur bei deren Nachforderung. Höhe des Vergütungsanspruchs bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für einzelne Personen einer Streitgenossenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Verbindung kann der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt beantragen, die Gebühren (nur) aus dem verbundenen Verfahren festzusetzen (vgl LSG Erfurt vom 10.4.2014 - L 6 SF 193/14 B).

2. Eine ungewöhnliche Rechtsfrage begründet keine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit.

3. Die Festsetzung einer tatsächlich in Betracht kommenden Einigungsgebühr setzt voraus, dass sie tatsächlich nachgefordert wurde (vgl BGH vom 4.12.1986 - III ZR 51/85 = MDR 1987, 825).

4. Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des Thüringer OLG (Beschluss vom 15.6.2006 - 9 W 81/06 = OLGR Jena 2007, 163), dass der von mehreren Streitgenossen gemeinsam beauftragte Rechtsanwalt gegen die Landeskasse nur einen Kostenanspruch in Höhe der entsprechenden Quote aus den insgesamt entstandenen anwaltlichen Gebühren hat, wenn nur einem der Streitgenossen PKH bewilligt wurde. Sie ist bei der Vergütung durch die Staatskasse in kostenprivilegierten sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 6. Januar 2015 abgeändert und die der Beschwerdeführerin aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 26 AS 7426/11 auf 380,80 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren streitig. Die Beschwerdeführerin vertrat im Klageverfahren S 26 AS 7426/11 die drei Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft, die dort die Zahlung höherer Leistungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung der Tochter (Klägerin zu 3.) in der Grundschule ab 1. August 2011 begehrten. Im 25 Minuten dauernden Erörterungstermin am 7. März 2013 verhandelte das Sozialgericht (SG) das Verfahren zusammen mit dem Verfahren S 26 AS 8652/11 (Ablehnung der Kosten für die Mittagsverpflegung vom 1. November 2011 bis 30. April 2012), verband beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und gewährte “der Klägerin … für das Verfahren S 26 AS 7426/11„ Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung der Beschwerdeführerin. Mit Schriftsatz vom 15. August 2013 erkannte das beklagte Jobcenter Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung der Klägerin zu 3. in Höhe von 116,90 Euro für die Zeit vom 1. August 2011 bis 30. April 2012 (167 Essen x 0,70 Euro) sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten “der Klägerin F. Sch.„ zu ½ an. Die Beschwerdeführerin nahm “Teilanerkenntnis und Teilkostenanerkenntnis„ an, erklärte den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, der Beklagten die restlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 17. September 2013 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, “dem Kläger zu 3)„, die notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Im Antrag vom 8. Oktober beantragte die Beschwerdeführerin für das Verfahren S 26 AS 7426/11 die Festsetzung einer Vergütung von 559,30 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

   20,00 Euro

Zwischensumme

470,00 Euro

Umsatzsteuer

   89,30 Euro

Gesamtbetrag

559,30 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) wies diesen Betrag nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten an. Dagegen haben diese und der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Verfahrensgebühr sei in Höhe von 1/3 und die Terminsgebühr in Höhe von ½ der Mittelgebühren festzusetzen. Nachdem die Kläger zu 1. und 2. nicht wertmäßig am Klageverfahren beteiligt gewesen seien, müssten sie für ihre Rechtsanwaltskosten im Innenverhältnis kopfteilig nach der Anzahl der Auftraggeber haften. Sie habe daher nur nach Kopfteilen zu jeweils 1/3 von 248,47 Euro zu haften und danach 41,41 Euro (248,47 Euro : 3 : 0,5 ) zu erstatten. Der Beschwerdegegner hat unter Hinweis auf einen Beschluss des Thüringer OLG vom 15. Juni 2006 - 9 W 81/06 vertreten, die Beschwerdeführerin habe lediglich einen Anspruch auf 1/3 der anwaltlichen Kosten. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr, erhöht um 60 v.H. für zwei weitere Auftraggeber, und die Terminsgebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr angemessen.

Mit Beschluss vom 6. Januar 2015 hat das SG den Beschluss der UdG abgeändert und die vom Beschwerdegegner zu erstattenden “Kosten„ auf 277,66 Euro festgesetzt, von denen die Beklagte dem Beschwerdegegner 138,83 Euro zu erstatten habe. Verfahrens-, Termins- und Erledigungsgebühr seien in Höhe der Mittelgebühr angemessen. Die im Hau...

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