Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Beschluss vom 12.01.2006; Aktenzeichen 1 T 166/05)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Beschwerdegegner hat im vorausgegangenen Erkenntnisverfahren die beiden beklagten Streitgenossen vertreten, wobei er nur der Beklagten zu 1. als PKH-Anwalt gem. § 121 Abs. 1 ZPO beigeordnet worden ist. Eine Prozesskostenhilfeberechtigung des Beklagten zu 2. bestand nicht. Mit der vom LG zugelassenen weiteren Beschwerde wendet sich der Bezirksrevisor gegen die Höhe der vom LG festgesetzten PKH-Vergütung, welches zugunsten des Beschwerdegegners nicht nur - wie von einem Teil der Rechtsprechung vertreten - die Erhöhungsgebühr des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO, sondern eine Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühr in Höhe der jeweiligen PKH-Regelsätze (§ 123 BRAGO) bewilligt hat.

II. Die gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1, S. 3 RVG form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Hinsichtlich der für das Beschwerdeverfahren maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften kommt bereits - anstelle des früheren § 128 Abs. 4 BRAGO - das seit 1.7.2004 geltende RVG zur Anwendung, da sowohl der angefochtene Beschluss als auch das Rechtsmittel von einem Zeitpunkt nach Inkrafttreten des RVG datieren (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 28.2.2005 - 9 W 8/05; OLG Hamm NStZ-RR 2005, 390 [391]; LAG Bremen JurBüro 2005, 95 [96]). Nach der Überleitungsvorschrift des § 61 Abs. 1 S. 2 RVG gilt das neue (Verfahrens-) Recht für ein nach dem Stichtag eingeleitetes Rechtsmittelverfahren. Lediglich in materiellrechtlicher Hinsicht bestimmt sich die Vergütungsfestsetzung vorliegend noch nach den Bestimmungen der BRAGO, weil der dem Mandat zugrunde liegende Auftrag vor dem 1.7.2004 erteilt worden ist, § 61 Abs. 1 S. 1 RVG.

2. Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. Dem Beschwerdegegner stehen die vom LG festgesetzten Gebühren zu.

Soweit teilweise in der Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1993, 1715 [1716]; zur Prüfung des Umfangs der PKH-Bewilligung; OLG Koblenz JurBüro 2004, 384; OLG Naumburg v. 19.8.2003 - 12 W 64/03, OLGReport Naumburg 2004, 175 = Rpfleger 2004, 168) die Auffassung vertreten wird, der nur einem von mehreren Streitgenossen beigeordnete Rechtsanwalt habe gegen die Staatskasse lediglich Anspruch auf die Erhöhungsgebühr des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO (nunmehr Nr. 1008 RVG-VV), folgt der Senat diesem Ansatz nicht.

a) Nach der Vorschrift des § 6 Abs. 1 S. 1 BRAGO (§ 7 Abs. 1 RVG) fallen für die Tätigkeit eines Prozessbevollmächtigten in derselben Angelegenheit die Gebühren (Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühr) auch dann nur einmal an, wenn er gleichzeitig mehrere Auftraggeber vertritt. Dem entspricht, dass der Anwalt gem. § 6 Abs. 2 S. 2 BRAGO (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG) insgesamt nicht mehr als die nach Abs. 1 bezeichneten Gebühren und Auslagen fordern darf. Dem Gesetz liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass auch im Falle einer Personenmehrheit (und damit der zumindest abstrakt gegebenen Möglichkeit, dass individuelle Belange des einzelnen Auftraggebers einen entsprechenden Mehraufwand des Anwalts verursachen können) bei Gegenstandsgleichheit der "Grundaufwand", d.h. die Einarbeitung in den Sachverhalt und seine rechtliche Würdigung nur einmal erforderlich wird. Der auf die einzelne Person bezogene Mehraufwand wird pauschal damit vergütet, dass die Prozessgebühr für jeden zusätzlichen Auftraggeber um eine 3/10-Gebühr erhöht wird.

Die Sichtweise der o.g. Rechtsprechung impliziert, dass es sich bei der nicht prozesskostenhilfeberechtigten Partei gerade um den "Grundauftraggeber" im vorgenannten Sinne, bei der PKH-Partei hingegen lediglich um den "hinzutretenden" Mandanten handelt, der nur noch die Erhöhungsgebühr auslöst. Doch gibt es für eine solche Annahme aus Sicht des Senats jedenfalls dann keine Anhaltspunkte, wenn - wie hier - beide Streitgenossen zum gleichen Zeitpunkt in den Rechtsstreit einbezogen werden und in einem gemeinsamen Erstgespräch einen Anwalt mit der Prozessvertretung beauftragen. Hinsichtlich des vom Anwalt zu leistenden Arbeitsaufwands erscheint eine unterschiedliche Behandlung der Beteiligten insoweit nicht gerechtfertigt. Mithin können die insgesamt entstehenden anwaltlichen Gebühren nur beiden Streitgenossen gemeinsam zu gleichen Anteilen zugerechnet werden.

Auf diesem Ansatz beruht auch die neuere ständige Rechtsprechung des BGH zur Inanspruchnahme eines einzelnen Streitgenossen im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nach §§ 103, 104 ZPO. Obgleich auch dort der Anwalt im Innenverhältnis gem. § 6 Abs. 2 S. 1 BRAGO (§ 7 Abs. 2 S. 1 RVG) nach seiner Wahl von jedem Auftraggeber die vollen Gebühren und Auslagen verlangen kann, die im Falle einer Alleinvertretung angefallen wären (und es dem Auftraggeber selbst obliegt, ggf. bei anderen Streitgenossen nach den Vorschriften des Gesamtschuldausgleichs Regress zu nehmen), beschränkt sich der Anspruch der erstattungsberechtigten Partei gegen den Prozessgegner auf die der ...

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