Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse bei Vertretung mehrerer Streitgenossen

 

Leitsatz (amtlich)

Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Streitgenossen und ist einem von ihnen Prozesskostenhilfe ohne Einschränkung bewilligt worden, so kann er die Staatskasse wegen der vollen auf diesen Streitgenossen entfallenden Kosten in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

BRAGO § 6 Abs. 1 S. 3; RVG-VV Nr. 1008

 

Verfahrensgang

AG Germersheim (Beschluss vom 12.02.2002; Aktenzeichen 1 F 477/01)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und der Beschluss des Rechtspflegers beim AG - FamG - Germersheim vom 12.2.2002 wieder hergestellt.

II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 128 Abs. 5 BRAGO.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 360,61 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Dem Antragsteller zu 1. wurde durch Beschluss des AG - FamG - Germersheim vom 21.1.2002 für das Verfahren erster Instanz, welches die Antragsteller mit Schriftsatz vom 14.11.2001 eingeleitet hatten, Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwältin D. zur Vertretung beigeordnet. Die Beschwerdeführer haben neben dem Antragsteller zu 1. auch dessen Eltern, die Antragsteller zu 2. und 3., vertreten, denen keine Prozesskostenhilfe bewilligt war. Das Verfahren ist in der mündlichen Verhandlung vom 3.12.2001 durch eine Umgangsvereinbarung, welche vom FamG bestätigt wurde, beendet worden. Über einen Antrag der Antragsteller vom 14.11.2001 auf Erlass einer vorläufigen Anordnung wurde nicht entschieden. Der Gegenstandswert wurde durch Beschluss des FamG vom 3.12.2001 auf 5.000 DM für die Hauptsache und 1.000 DM für das Verfahren der vorläufigen Anordnung festgesetzt.

Mit Anträgen vom 7.2.2002 haben die Beschwerdeführer die Festsetzung ihrer Vergütung i.H.v. 593,10 EUR für die Hauptsache und 88,67 EUR für das Verfahren der vorläufigen Anordnung begehrt. Der Urkundsbeamte hat mit Beschlüssen vom 12.2.2002 die Vergütung für die Hauptsache auf 403,31 EUR, entsprechend je einer 5/10-Prozess- und Verhandlungsgebühr und einer 10/10-Vergleichsgebühr aus einem Streitwert von 5.000 DM nach altem Gebührenrecht zuzüglich 40 DM Auslagenpauschale und 16 % Mehrwertsteuer, festgesetzt und die Festsetzung einer Vergütung für das Verfahren der vorläufigen Anordnung abgelehnt.

Auf Erinnerung der Landeskasse vom 25.3.2002 gegen die Festsetzung, auf deren Begründung Bezug genommenen wird, hat sodann der Rechtspfleger beim AG - FamG - Germersheim nach Anhörung der Beschwerdeführer mit formloser Verfügung vom 28.7.2003 von diesen die Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 360,61 EUR verlangt und mit Beschluss vom 11.3.2004, den Beschwerdeführern zugestellt am 15.4.2004, die den Beschwerdeführern aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung gem. § 128 Abs. 3 BRAGO neu festgesetzt auf lediglich 42,70 EUR entsprechend der Erhöhungsgebühr sowie die Rückzahlung des zuviel festgesetzten und bereits an die Beschwerdeführer ausgezahlten Betrages von 360,61 EUR angeordnet. Eine Rückzahlung des Betrages durch die Beschwerdeführer erfolgte nicht, weshalb mit Schreiben der Geschäftsstelle des FamG vom 18.7.2007 eine erneute Zahlungsaufforderung an die Beschwerdeführer erging.

Mit Schriftsätzen vom 2.8.2007 und vom 18.9.2007 haben die Beschwerdeführer weiterhin die Rückzahlung verweigert und schließlich mit Schriftsatz vom 25.10.2007 gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 11.3.2004 Erinnerung eingelegt, welche das FamG mit Beschluss vom 2.6.2008 zurückgewiesen hat.

Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel ist gem. § 128 Abs. 4 BRAGO statthaft und zulässig. Die Vorschriften der BRAGO finden gem. § 60 Abs. 1 RVG Anwendung, weil die Beschwerdeführer vor dem Inkrafttreten des RVG beigeordnet worden sind.

Die Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg.

Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Erhöhungsgebühr des § 6 BRAGO (jetzt: RVG-VV Nr. 1008) beschränkt, wenn zwei Streitgenossen ein und denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit, der dieselbe Angelegenheit betrifft, beauftragen, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen (BGH, RPfl. 1993, S. 452 m.w.N.). Diese Entscheidung hat nicht ungeteilte Zustimmung in der Rechtsprechung der Obergerichte gefunden (vgl. OLG Celle, OLGR 2007, S. 160). Der Senat braucht sich jedoch insoweit nicht festzulegen. Denn vorliegend wurde dem Antragsteller zu 1. die Prozesskostenhilfe ohne Einschränkung bewilligt.

Ob in diesem Falle dennoch der Anspruch des beigeordneten Prozessbevollmächtigten gem. § 121 BRAGO auf die gesetzliche Vergütung der Höhe nach beschränkt werden kann, wird in der Rechtsprechung ebenfalls kontrovers diskutiert. Teils wird unter Bezugnahme auf die zitierte BGH-Entscheidung die Ansicht vertreten, dem Rechtsanwalt st...

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