Der Vorerbe mag – damit durchaus im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung bleibend – es für sinnvoll erachten, einen Betrieb, Teilbetrieb oder eine Beteiligung zu veräußern oder sogar gezwungen sein, die Stilllegung/Liquidation zu betreiben. Ertragsteuerlich ist dies bei einer Einzelfirma und einer Personengesellschaft ein Fall der §§ 14, 16 EStG und für die GewSt des § 7 S. 2 GewStG. Bei Veräußerung/Verlust von Kapitalgesellschaftsanteilen folgt die Besteuerung je nach Beteiligungshöhe § 17 oder § 20 EStG. Last, but not least kann der Vorerbe einzelne Erbschaftsgegenstände veräußern.

Insbesondere bei dem Verkauf einzelner betrieblich genutzter Erbschaftsgegenstände stellt sich die Frage, ob der erzielte Veräußerungsgewinn, also die Differenz zwischen steuerlichem Buchwert und Veräußerungspreis, aus überhöhten Abschreibungen der Vergangenheit resultiert. Bekanntlich dürfen z.B. Pkw steuerlich über sechs Jahre und Computer in einem Jahr voll abgeschrieben werden,[32] obwohl sie in der Realität ungleich länger genutzt werden. Wurden aus Vereinfachungsgründen für die Ermittlung der dem Vorerben zustehenden Nutzungen die steuerlichen Abschreibungssätze zugrunde gelegt, ist der Veräußerungsgewinn insoweit, wie er die überhöhten Abschreibungen nachträglich korrigiert, als Nutzung i.S.d. § 2111 Abs. 1 BGB zu qualifizieren und folglich auch vom Vorerben zu versteuern.[33] Ein Sonderproblem stellt in diesem Zusammenhang die Inanspruchnahme des § 6b EStG dar, die aus Raumgründen hier nicht behandelt werden soll.[34] Im Folgenden wird unter Veräußerungsgewinnen der Veräußerungsgewinn nach Bereinigung um solche, in Wahrheit Korrekturen der Nutzungsberechnung darstellenden Scheingewinne verstanden.

[32] Vgl. zur Abschreibungsdauer von Pkw https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/Ergaenzende-AfA-Tabellen/AfA-Tabelle_AV.pdf?__blob=publicationFile&v=3; für diejenige von Computern das Schreiben des Bundesministers der Finanzen v. 26.2.2021 – IV C 3 – S 2190/21/10002:013.
[33] Vgl. zu diesem Problem näher König, S. 140 ff.
[34] Vgl. dazu König, S. 305 ff.

a. Veräußerung eines Betriebs oder einer Beteiligung

aa. Erbrechtliche Verteilung von Nutzungen und Kosten

Der Verkauf eines Betriebs, Teilbetriebs, einer Beteiligung an einer nicht nur vermögensverwaltenden Personen- oder einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist ein Fall der Mittelsurrogation, nämlich der Erwerb von Geld in Form des Veräußerungserlöses "durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft" durch den betreffenden Verkauf. Der Verkaufserlös steht folglich dem Nachlass zu und geht in diesen im Wege der dinglichen Surrogation gem. § 2111 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB ein. Gleiches gilt für den Fall der Stilllegung eines Betriebs, bei dem’die einzelnen Gegenstände des Betriebsvermögens versilbert werden.

bb. Steuerliche Behandlung beim Vorerben

Der Vorerbe muss im Veranlagungszeitraum der Veräußerung einen entsprechenden Veräußerungsgewinn versteuern, obwohl er ihm nicht zusteht und mit Eintritt des Nacherbfalls an den Nacherben herausgeben muss. Der Vorerbe zahlt damit im Jahr’der Veräußerung Steuern auf einen Gewinn, den er über das Ende der Vorerbschaft hinaus nicht behalten darf.

Unterstellt man mit den eingangs zitierten BGH-Entscheidungen,[35] der Vorerbe könne Erstattung der Steuerlast auf den erzielten Veräußerungsgewinn verlangen, so wäre diese Erstattung kein Teil des Erbgangs im Sinne der Entscheidung des BFH – GrS 2/04 – und unterfiele daher nicht § 6 Abs. 3 EStG. Damit stellt sich die Frage, ob eine etwaig vom Nacherben geschuldete Erstattung sich beim Vorerben als unter eine der sieben Einkunftsarten des EStG subsumierbar und damit steuerpflichtig darstellt.

Die erst nach Eintritt des Nacherbfalls erfolgende Erstattung einer Steuerlast auf ggf. lange zurückliegende Verkäufe und nicht minder weit zurückliegend versteuerte Veräußerungsgewinne als Einkünfte des Vorerben i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1-6 EStG zu behandeln, scheidet aus. Denn der Nachlass und die in diesem enthaltenen steuerrelevanten Einkunftsquellen sind mit Eintritt des Nacherbfalls auf den Nacherben übergegangen. Allenfalls eine Qualifikation als Entschädigung oder nachträgliche Einkünfte i.S.d. § 24 EStG käme in Betracht. Wenn eine Pflicht zur Erstattung der Steuerlast des Vorerben besteht, stellt diese aber jedenfalls keine Entschädigung für entgangene oder wegen Untätigkeit nicht erzielte (steuerpflichtige) Einkünfte dar, sodass der Tatbestand des § 24 Nr. 1 EStG nicht erfüllt ist. Es liegt auch kein Fall des § 24 Nr. 2 EStG (nachträgliche Einnahmen und Betriebseinnahmen) vor. Denn die Erstattung einer Steuerzahlung auf Einkünfte, die der Steuerpflichtige nicht behalten darf, stellt als Gegenstück zur Zahlung der Einkommensteuer weder eine Betriebseinnahme bei einer Gewinneinkunftsart noch eine Einnahme i.S.d. § 8 EStG bei einer Überschusseinkunftsart dar.

[35] BGH, Urt. v. 10.7.1980 – IVa ZR 20/80, NJW 1980, 2465, und BGH, Urt. v. 25.3.1968 – III ZR 12/68, MDR 1968, 566.

cc. Steuerliche Behandlung beim Nacherben

Für den Nacherben ergeben sich im Veranlagungszeitraum der Veräußerung keine...

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