(BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – VIII ZB 60/22) • Zu den an einen Rechtsanwalt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Bezeichnung des Empfangsgerichts im besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), wenn der Rechtsanwalt die Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das beA selbst ausführt. Ein Rechtsanwalt hat sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Reicht der Prozessbevollmächtigte einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht ein, hat er auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang zu gewährleisten. Wenn der Rechtsanwalt einen fristgebundenen Schriftsatz per beA übermittelt, entsprechen seine Sorgfaltspflichten dabei denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. In diesen Fällen gehört – neben der Verwendung eines funktionsfähigen Sendegeräts und dem rechtzeitigen Beginn des Übermittlungsvorgangs – die korrekte Eingabe der Empfängernummer zu seinen Sorgfaltsanforderungen.

Anmerkung: Der Berufungsschriftsatz wurde zwar an das LG Berlin adressiert, ging jedoch am letzten Tag der Rechtsmittelfrist beim AG ein. Nach Weiterleitung vom AG an das LG teilte das LG mit, dass die Frist zur Einlegung der Berufung abgelaufen sei. Bei ihrem Wiedereinsetzungsgesuch begründete die Rechtsanwältin, dass „durch ein unerklärliches Versehen der Mitarbeiterin (...) bei der Auswahl des Empfängers über die globale Adressliste das AG Schöneberg anstelle des LG Berlin ausgesucht worden, obwohl die Berufungsschrift (richtig) an das Landgericht adressiert gewesen sei”. Der BGH maß diesem Fall keine grundsätzliche Bedeutung zu und verwies auf die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax, welche auf den Versand mittels beA in gleicher Weise Anwendung finden. Die Rechtsanwältin hätte, als sie die Berufungsschrift selbst über das beA versandte, ohne Weiteres und rechtzeitig die Fehlerhaftigkeit der zuvor von ihrer Mitarbeiterin getroffenen Auswahl des AG als Empfänger der Nachricht erkennen können und korrigieren müssen. Der Rechtsanwältin hätte auffallen müssen, dass es sich bei dem ausgewählten AG nicht um das zuständige Gericht für die Einlegung einer Berufung handeln konnte. Sie hätte ohne Weiteres und rechtzeitig erkennen können, dass die Mitarbeiterin nicht das richtige Gericht ausgewählt hatte und hätte dies vor dem Absenden korrigieren müssen.

 

Praxistipp:

Erstellen Sie sich eine Checkliste für den Versand von Dokumenten an die Justiz. Unerlässlich ist es, den Absender (bei mehreren Anwälten) und den Empfänger zu überprüfen. Das Schleswig-Holsteinische OLG (Beschl. v. 13.10.2022 – 7 U 160/22) hat sogar gefordert, dass bereits vor Anfertigung und Verarbeitung der Berufungsschrift das Büropersonal anzuweisen ist, das zuständige Berufungsgericht in der entsprechenden Anwaltssoftware einzupflegen. Weiterhin muss geprüft werden, ob die richtigen Dokumente (Schriftsatz und ggf. Anlagen) beigefügt sind, ob die einfache Signatur des Rechtsanwalts enthalten ist und ob der die qeS anbringende Rechtsanwalt mit der einfachen Signatur übereinstimmt. Nach dem Versand ist die Nachricht zu exportieren und in der ZIP-Datei die „export.html” zu überprüfen (vgl. zu weiteren Details den Praxistipp zu BGH, Beschl. v. 18.4.2023 – VI ZB 36/22 unter IV.5.)

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