Funktionsweise des beA, Anwendungsbereich der Nutzungspflicht

Sorgen bereitete die Aussicht auf das beA der Anwaltschaft schon insbesondere mit Blick auf die Sicherheit der Übermittlung, im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht, und mögliche Unsicherheiten bezüglich der Fristwahrung. Auch die strenger Anbindung des Anwaltspostfachs an den einzelnen Berufsträger sorgte für Irritationen bezüglich des Kanzleimanagements. 

Das beA nutzt ebenso wie das besondere elektronische Notarpostfach (beN), das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPO) und das neue elektronische Bürger- und Organisationspostfach (eBO) das Protokoll „OSCI-Transport“ (Online Services Computer Interface) das mit Einführung von EGVP seit vielen Jahren das Rückgrat der deutschen Justizkommunikation bildet. Dieses Protokoll gewährleistet die klassischen Ziele Integrität, Authentizität, Vertraulichkeit und Nachvollziehbarkeit bei der Übermittlung von Nachrichten durch das sog. Prinzip des doppelten Briefumschlags.

Prinzip des doppelten Briefumschlags

Technisch funktioniert dieses Prinzip wie folgt: OSCI-Transport-Nachrichten haben einen zweistufigen "Sicherheitscontainer". Dadurch ist es möglich, Inhalts- und Nutzungsdaten streng voneinander zu trennen und kryptografisch unterschiedlich zu behandeln. Die Inhaltsdaten werden vom sog. Autor (bspw. eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt) einer OSCI-Nachricht so verschlüsselt, dass nur der berechtigte Leser (bspw. das Gericht) sie dechiffrieren kann.

Die Nutzungsdaten werden vom sog. OSCI-Manager für die Zwecke der Nachrichtenvermittlung benötigt; sie werden deshalb für den OSCI-Manager verschlüsselt. Der OSCI-Manager kann aber gerade nicht auf die Inhaltsdaten zugreifen. Die Daten befinden sich gewissermaßen in zwei unterschiedlich gesicherten „Briefumschlägen“. Die Infrastrukturkomponenten des EGVP-Systems können daher nie auf die in den elektronischen Dokumenten – den Schriftsätzen – übermittelten Inhalte zugreifen. Jeder Sicherheitscontainer (für Nutzungsdaten und Inhaltsdaten) erlaubt ferner eine digitale Signatur des jeweiligen Inhalts. Dadurch sind auch die Integrität und Authentizität der Nachrichten gewährleistet. Für das beA gilt dies aufgrund der sog. Umschlüsselung bekanntermaßen nur für den Weg ab dem Verlassen der von der BRAK gehosteten beA-Infrastruktur bis zum Gericht.

Dreh- und Angelpunkt der EGVP-basierten Kommunikation ist der Intermediär. Er empfängt und versendet OSCI-Nachrichten. Es handelt sich dabei um einen Server, der als zentraler Nachrichtenaustauschpunkt und Mittler zwischen Sender und Empfänger dient. Er befindet sich nicht in dem empfangenden Gericht, sondern ist Teil der EGVP-Infrastruktur. Der Intermediär ist beiden „Sphären“ - gleichzeitig also dem Sender als auch dem Empfänger - zuzurechnen, weshalb es für die Fristwahrung jeweils auf den vollständigen Upload eines Dokuments auf den Intermediär ankommt, nicht auf den Zeitpunkt, zu dem der Empfänger die Nachricht von dem Intermediär herunterlädt. Der Intermediär ist deshalb auch die Empfangseinrichtung des Gerichts im Sinne des § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO.

Eingangsbestätigung als Nachweis der Fristwahrung

Ist der Upload einer Nachricht auf dem Intermediär vollständig, erteilt dieser gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO eine automatisierte Eingangsbestätigung. Diese dient nach der Rechtsprechung als Nachweis des fristwahrenden Eingangs im Sinne eines Anscheinsbeweises. Der Beweiswert ist damit höher als der eines Telefax-Sendeprotokolls.

Zum Erhalt der Eingangsbestätigung lässt sich die über das beA versandte Nachricht – leider nur einzeln – aus dem beA-Webclient exportieren. Die dadurch erzeugte .zip-Datei dient dem Nachweis des erfolgreichen Versands, einschließlich Nachweisen über den versandten Inhalt (die übersandte Datei ist enthalten) und den Zeitpunkt (die Eingangsbestätigung des Gerichts befindet sich in der Datei „x_export.html“ – siehe hierzu im Einzelnen: https://ervjustiz.de/keine-panik-der-nachweis-des-bea-postausgangs-aus-gerichtssicht - zuletzt abgerufen am 3.12.2021).

Die Kontrolle und Aufbewahrung dieser automatisierten Eingangsbestätigung ist nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss v. 11.5.2021, VIII ZB 9/20) Teil der anwaltlichen Sorgfaltspflicht beim elektronischen Nachrichtenversand und entsprechend in der Kanzleiorganisation zu berücksichtigen. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.

Zur Kanzleiorganisation macht der BGH folgende Vorgaben: Ein Rechtsanwalt müsse, wenn er fristwahrende Schriftsätze über das beA an das Gericht versendet, in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO zu kontrollieren sei. Er habe zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.

→ BGH zu Fristversäumnis bei Berufungsbegründung über beA

Der Anwendungsbereich der aktiven Nutzungspflicht

Rechtsgrundlage der aktiven Nutzungspflicht ist § 130d ZPO bzw. die entsprechenden Normen in den Fachgerichtsordnung.

Der sachliche Anwendungsbereich der aktiven Nutzungspflicht umfasst

  • vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen
  • sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen.

Nicht umfasst ist dagegen die Vorlage von Beweismitteln, bspw. den Verwaltungsakten der Behörden als Passivpartei in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten.

Der persönliche Anwendungsbereich der aktiven Nutzungspflicht erfasst zunächst Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse.

Nicht von der aktiven Nutzungspflicht erfasst sind dagegen zunächst

  • die in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit häufig als Prozessvertreter auftretenden Verbände und Gewerkschaften, Rentenberaterinnen und Rentenberater,
  • sowie nicht anwaltlich vertretene Bürgerinnen und Bürger
  • und privatrechtliche Unternehmen (bspw. als Arbeitgeber in der Arbeitsgerichtsbarkeit).
  • Ebenfalls nicht erfasst sind in einem ersten Schritt die Steuerberaterinnen und Steuerberater, die vorwiegend in der Finanzgerichtsbarkeit auftreten.
  • Schließlich auch nicht erfasst sind weitere Personen im Umfeld eines Gerichtsverfahrens, hier bspw. Dolmetscher:innen, Sachverständige oder ehrenamtliche Richterinnen und Richter.

Erst das 2021 beschlossene ERV-AusbauG führt die aktive Nutzungspflicht ab 1.1.2026 auch für einen breiteren Personenkreis ein. Die Regelungen finden sich aufgrund der unterschiedlichen Vertretungsregeln in den unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten in der jeweiligen Fachverfahrensordnung in der Fassung ab 1.1.2026. Vor allem Bürgerinnen und Bürger bleiben allerdings auch weiter von der aktiven Nutzungspflicht ausgenommen.

Die Gerichte trifft keine aktive Nutzungspflicht

Der elektronische Rechtsverkehr ist jedenfalls im Gesetz als Einbahnstraße angelegt, denn die Gesetze sind von der aktiven Nutzungspflicht nicht betroffen. Hierbei ist der Gesetzgeber allerdings davon ausgegangen, dass die Justiz schon aus Eigeninteresse schnell auch sendebereit wird, um nicht zur Druckstraße der professionellen Verfahrensbeteiligten zu werden. Geliefert haben insoweit bereits die meisten Fachgerichte, die teils schon seit 10 Jahren elektronischen Rechtsverkehr betreiben. Zunehmend fangen auch die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit an zu senden. Selbstredend wird nur dadurch der elektronische Rechtsverkehr rund.