Änderungen im Überblick:

  • Norm: § 58a StPO
  • Sachlicher Geltungsbereich: Vernehmungen
  • Verteidigerstrategie: Überprüfung der Verwertbarkeit (vgl. III 5)

1. Neuregelung

Die Möglichkeit der Bild-Ton-Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen ist in § 58a StPO vorgesehen. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen enthielt die Vorschrift in § 58a Abs. 1 S. 2 StPO a.F. bislang eine (nur) als Sollvorschrift ausgestaltete Verpflichtung, die Vernehmung als richterliche durchzuführen und in Bild und Ton aufzunehmen, wenn die schutzwürdigen Interessen der Zeugen dadurch besser gewahrt werden können (vgl. zur audiovisuellen Vernehmung Burhoff, EV, Rn 4778 ff. m.w.N.). Die Vorschrift verfolgt den Zweck, minderjährigen Opferzeugen Mehrfachvernehmungen wegen ihres hohen Belastungspotenzials im Strafverfahren zu ersparen. Die Vorschrift gilt seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vom 26.6.2013 (StORMG; BGBl I, S. 1805, auch für erwachsene Opfer der genannten Straftaten, die zur Tatzeit minderjährig waren (Burhoff, EV, Rn 4786 ff.).

Hier haben die Neuregelungen folgende Änderungen gebracht:

2. Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 58a StPO

Der neue § 58a Abs. 1 S. 3 StPO erweitert den Anwendungsbereich der audiovisuellen Vernehmung auf zur Tatzeit erwachsene Opfer von Sexualstraftaten. Genannt werden die §§ 174 bis 184j StGB. Der Gesetzgeber hat diese Gleichstellung zu den (zur Tatzeit) minderjährigen Zeugen gem. § 58a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO (Burhoff, EV, Rn 4790) für erforderlich gehalten, "weil das Schutzbedürfnis erwachsener Opfer von Sexualstraftaten im Strafverfahren vergleichbar ist mit dem Schutzbedürfnis der Opfer, die zur Zeit des Strafverfahrens ebenfalls erwachsen sind, jedoch zur Tatzeit minderjährig waren" (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 25). Sexualstraftaten seien typischerweise mit erheblichen Eingriffen in den Intimbereich des Opfers verbunden. Opferzeugen seien in der Vernehmung verpflichtet, über ihre Wahrnehmungen auszusagen, was häufig mit gravierenden seelischen Belastungen verbunden sein könne. Diese besondere Situation rechtfertige es, die zusätzlich belastenden Mehrfachvernehmungen den erwachsenen Opfern von Sexualdelikten in gleicher Weise zu ersparen wie den nach gegenwärtiger Rechtslage (zur Tatzeit) minderjährigen Zeugen.

 

Hinweis:

Neben der Bild-Ton-Vernehmung nach § 58a Abs. 1 S. 3 StPO bleiben staatsanwaltliche (§ 161a Abs. 1 S. 2 StPO) und polizeiliche (§ 163 Abs. 3 S. 2 StPO) Vernehmungen von Zeugen in Bild und Ton weiterhin nach § 58a Abs. 1 S. 1 StPO möglich.

3. "Mussregelung" in § 58a Abs. 2 S. 3 StPO

Bisher war in § 58a Abs. 1 S. 2 StPO nur eine Sollregelung für eine richterliche Vernehmung enthalten für den Fall, dass durch eine richterliche Vernehmung die schutzwürdigen Interessen der in Nr. 1 genannten Personen besser gewahrt werden können (dazu Burhoff, EV, Rn 4794). Dies hat das Gesetz geändert. In Zukunft muss nach § 58a Abs. 1 S. 3 StPO die Vernehmung aufgezeichnet und als richterliche Vernehmung durchgeführt werden, wenn dadurch die schutzwürdigen Interessen der Zeugen besser gewahrt werden können.

Im Einzelnen gilt:

  • Die Vorschrift gilt nur beim Vorwurf einer Straftat aus dem Katalog der Taten der §§ 174 bis 184j StGB.
  • Erfasst werden von der Vorschrift/Regelung (jetzt) auch Erwachsene.
  • Unter den Begriff "Personen" gem. § 58a Abs. 1 S. 3 StPO fallen neben den (neu erfassten) erwachsenen Zeugen auch Personen unter 18 Jahren.
  • Erforderlich ist, dass durch die richterliche Vernehmung die schutzwürdigen Interessen der genannten Personen besser gewahrt werden können (zur Abwägung s. Burhoff, EV, Rn 4794 m.w.N.). Insoweit wird von Bedeutung sein, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung "das nach Berichten der Praxis feststellbare Vollzugsdefizit der bisher als Sollvorschrift ausgestalteten Regelung in diesen Fällen" (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 25) beheben und mit der Änderung sicherstellen wollte, dass von der Bild-Ton-Aufzeichnung bei der Ermittlung von Sexualstraftaten umfassend Gebrauch gemacht wird (BT-Drucks 19/14747, a.a.O.). Mit der Ausgestaltung der Norm als Mussvorschrift soll dieses Ziel erreicht werden.
  • Auch nach der Neuregelung muss die Bild-Ton-Aufzeichnung zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Zeugen geboten sein. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Vorschrift in aller Regel keine Anwendung in Alltagsfällen findet (BT-Drucks 19/14747, S. 25 a.E.).

4. Zustimmung/Widerspruch des Zeugen

Durch eine Videovernehmung wird das Persönlichkeitsrecht des Zeugen tangiert. D...

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