Hinzuweisen ist auf Folgendes: Die Übermittlung eines Rechtsmittels durch den Verteidiger in Papierform ist nur (noch) zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist (§ 32d S. 3 StPO; dazu Biallaß, NJW 2023, 25). Dabei stellt die StPO nicht darauf ab, in wessen Sphäre die technische Unmöglichkeit liegt, da auch bei einem Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts oder Verteidigers dies nicht zum Nachteil für einen Verfahrensbeteiligten führen darf (BVerfG NJW 1996, 2857). Die Einschränkung muss aber „vorübergehend” und aus „technischen Gründen” (dazu BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – IV ZB 7/22, NJW 2023, 1062) erfolgen, weshalb die Ausnahme ausscheidet, wenn der Verteidiger überhaupt kein geeignetes System vorhält oder bei technischen Problemen nicht umgehend für deren Behebung sorgt (BGH, Beschl. v. 7.12.2022 – 2 StR 140/22, StraFo 2023, 139; BGH, Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22, StRR 12/2022, 12; BGH, Beschl. v. 7.12.2022 – 2 StR 140/22, StraFo 2023, 139). Auch ist die Unkenntnis der beA-Verbindung an Gericht, also der sog. SAFE-ID des Gerichts, ebenso wenig ein Fall der technischen Unmöglichkeit wie die Unfähigkeit zur Bedienung eines Programms, das die Auswahl des Empfängers einer über das beA zu versendende Nachricht anhand des Namens ermöglicht (BGH, Beschl. v. 1.3.2023 – 5 StR 440/22).

Soll/muss von der Möglichkeit der Ersatzeinreichung Gebrauch gemacht werden, muss das entweder in Papierform oder auch als Faxdokument erfolgen, mangels Schriftform aber nicht per normaler E-Mail (OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22, NStZ 2022, 767; s. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.6.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22). Das Bestehen einer vorübergehenden Unmöglichkeit muss sogleich bei der Ersatzeinreichung (BGH, Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22, StRR 12/2022, 12; BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2023 – 31 U 71/23, ZAP EN-Nr. 625/2023 [nicht sieben Tage später]) oder jedenfalls unverzüglich danach glaubhaft gemacht werden (dazu BGH, a.a.O.; Beschl. v. 21.6.2023 – V ZB 15/22, NJW 2023, 2883; BGH, Urt. v. 25.7.2023 – X ZR 51/23, ZAP EN-Nr. 579/2023 [ggf. auch in einem zweiten Schriftsatz am selben Tag]; LG Berlin, Beschl. v. 6.7.2023 – 67 O 36/23 [nicht 48 Stunden später]; s. auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.10.2022 – 4 U 76/22, JurBüro 2022, 663). War der Verteidiger aus technischen Gründen gehindert, seinen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist er, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen (BGH, Urt. v. 25.5.2023 – V ZR 134/22, NJW 2023, 2484).

Zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung ist eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände erforderlich (BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 104/22, StraFo 2022, 434; BGH, Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22, StRR 12/2022, 12; BGH, Beschl. v. 8.9.2023 – 3 StR 256/23; BGH, Beschl. v. 21.9.2021 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647; BGH, Beschl. v. 26.1.2023 – V ZB 11/22, MDR 2023, 862). Eine ggf. nur stichwortartige Zustandsbeschreibung, aus der sich nicht ergibt, dass im Zeitpunkt der Übermittlung eine grds. einsatzbereite technische Infrastruktur existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war, reicht nicht aus (zu den Anforderungen BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 104/22, StraFo 2022, 434; BayObLG, Beschl. v. 14.7.2023 – 201 ObOWi 707/23; KG, Beschl. v. 17.10.2022 – (3) 121 Ss 105/22 (42/22), StV 2023, 580; LG Arnsberg, Beschl. v. 6.7.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22, NStZ 2022, 639). Dass die technische Störung dem Gericht bekannt ist, entbindet den Absender nicht davon, die Ursächlichkeit der Störung für die Übermittlung in Papierform glaubhaft zu machen (OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2023 – 31 U 71/23).

 

Hinweis:

Es bedarf einer Versicherung der Richtigkeit der Angaben. Ein einfacher Schriftsatz genügt hierfür nicht. Erforderlich ist eine anwaltliche Versicherung über das Scheitern der elektronischen Übermittlung (BGH, Beschl. v. 26.1.2023 – V ZB 11/22, MDR 2023, 862; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.4.2023 – 11 U 244/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.10.2022 – 4 U 76/22, JurBüro 2022, 633). Ausreichend ist zur Glaubhaftmachung bei der Ersatzeinreichung aber ein Screenshot als Beweis für das beA-Versagen (BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – XI ZB 1/23, ZAP EN-Nr. 650/2023).

ZAP F. 22 R, S. 1235–1248

Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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