Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Geldbuße. BeA. Postfach. elektronisch. BeA-Postfach. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdeverwerfung. Zulässigkeit. Rechtsbeschwerdebegründung. formunwirksam. Rechtsanwalt. Wiedereinsetzung. Wiedereinsetzungsgesuch. Wiedereinsetzungsantrag. Glaubhaftmachung. Substantiierung. Hindernis. Sicherheitstoken. Tatsachenvortrag. Sachverhaltsvortrag. Schwierigkeiten. technisch. Unmöglichkeit. unverzüglich. Verschulden. Verteidiger. Wegfall. Wochenfrist. Ersatzeinreichung. Papierform. Schriftsatz. schriftlich. Nachtbriefkasten. Gegenerklärung. Geschäftsstelle. Protokoll. rollenbezogen. statusbezogen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht zur Begründung der Rechtsbeschwerde durch ein elektronisches Dokument (§ 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG) gilt zumindest dann auch für den Rechtsanwalt, der selbst Betroffener ist, wenn dieser als Rechtsanwalt auftritt.

2. Wird die Rechtsmittelbegründung ausnahmsweise nicht in elektronischer Form übersandt, ist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass im Zeitpunkt der Übersendung eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur zur elektronischen Übermittlung von anwaltlichen Schriftsätzen an die Gerichte existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war (Anschl. an BGH, Beschl. v. 30.08.2022 - 4 StR 104/22 = BeckRS 2022, 25316).

 

Normenkette

StPO § 32d Sätze 2-4, § 44 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 1, § 345 Abs. 2, § 473 Abs. 1; OWiG § 46 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 80a Abs. 1, § 110c S. 1; BGB § 121 Abs. 1 S. 1; 11. BayIfSMV § 11

 

Verfahrensgang

AG Hof (Entscheidung vom 05.04.2023)

 

Tenor

  • I.

    Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 05.04.2023 wird als unzulässig verworfen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.

  • III.

    Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen, der Rechtsanwalt ist, in dessen Anwesenheit aufgrund der Hauptverhandlung vom 05.04.2023 wegen einer am 29.12.2020 begangenen Ordnungswidrigkeit des vorsätzlichen Verstoßes gegen § 3 der 11. BayIfSMV (nächtliche Ausgangssperre) zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene zur Niederschrift der zuständigen Rechtspflegerin des Amtsgerichts am 12.04.2023 Rechtsbeschwerde ein. Nach Zustellung des Urteils an den Betroffenen am 19.04.2023 begründete der Betroffene die Rechtsbeschwerde mit Schriftsatz vom 16.05.2023, eingegangen am 18.05.2023 im Nachtbriefkasten per Einwurf. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Antragsschrift vom 19.06.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hof vom 05.04.2023 als unzulässig zu verwerfen, da die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht in elektronischer Form eingereicht und damit formunwirksam sei. Dazu hat sich der Betroffene nach Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München am 30.06.2023 mit Gegenerklärung vom 06.07.2023, eingegangen per beA am 07.07.2023, geäußert und ausgeführt, "wegen technischer Schwierigkeiten mit dem Laden" seines Sicherheitstokens des beA-Postfachs die Beschwerdebegründung zur Fristwahrung in schriftlicher Form eingereicht zu haben. Zugleich übermittelte er die Rechtsbeschwerdebegründung per beA.

II.

Sowohl der als solcher auszulegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch die Rechtsbeschwerde erweisen sich als unzulässig.

1. Wie die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Zuleitungsschrift vom 19.06.2023 zutreffend ausführt, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe des § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG formgerecht begründet wurde. Nach § 32d Satz 2 StPO sind Rechtsanwälte seit 01.01.2022 verpflichtet, die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dies gilt über § 110c Satz 1 OWiG für die Rechtsbeschwerde und deren Begründung in gleicher Weise. Wird die zwingend vorgeschriebene Form - wie hier - nicht eingehalten, so erweisen sich die entsprechenden Verfahrenshandlungen als unwirksam (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 51; BGH, Beschl. v. 20.4.2022 - 3 StR 86/22 = BeckRS 2022, 13173; BeckOK/Valerius StPO [47. Ed.] § 32d Rn. 4; Krenberger/Krumm OWiG 7. Aufl. § 110c Rn. 13).

a) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Betroffene als zugelassener Rechtsanwalt die Begründungsschrift selbst unterzeichnet hat und zugleich der Betroffene ist. § 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte. Der Behandlung des Betroffenen als Rechtsanwalt steht nicht entgegen, dass er vorliegend nicht für einen Dritten, sondern in eigener Angelegenheit auftritt.

Der Wortlaut des § 32d StPO lässt nicht erkennen, ob der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird, ob also der Status als Rechtsanwalt genügt, um den Pflichten des § 32d StPO zu unterliegen oder ob darüber ...

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