Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktive Nutzungspflicht im elektronischen Rechtsverkehr: Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ersatzeinreichung bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für eine wirksame Ersatzeinreichung gemäß § 130d Satz 2 und Satz 3 ZPO muss der Rechtsanwalt darlegen und glaubhaft machen, dass die elektronische Übermittlung im Zeitpunkt der beabsichtigten Einreichung aus technischen Gründen unmöglich war. Gleiches gilt für die vorübergehende Natur des technischen Defektes. Es genügt eine (laienverständliche) Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen.

2. Bezüglich des Zeitpunktes der erforderlichen Darlegung und Glaubhaftmachung kommt nach dem Wortlaut von § 130d Satz 3 ZPO ("oder") dem Zeitpunkt der Ersatzeinreichung selbst kein Vorrang gegenüber der - dann jedoch "unverzüglichen" - Nachholung zu.

3. Im Anwendungsbereich des § 130d Satz 3 ZPO genügt für die Glaubhaftmachung eine (formgerechte) anwaltliche Versicherung über das Scheitern der Übermittlung. Fehlt diese bzw. wird sie nicht ohne schuldhaftes Zögern beigebracht, ist die Ersatzeinreichung unwirksam.

 

Normenkette

BGB § 121 Abs. 1; GKG § 47 Abs. 2 S. 2; ZPO § 85 Abs. 2, § 130d Sätze 2-3, § 233 S. 1, § 236 Abs. 2 S. 2, §§ 294, 522 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 13.06.2022; Aktenzeichen 10 O 3636/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13. Juni 2022 - 10 O 3636/21 - wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 22.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen des Widerrufs seiner auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugkaufs gerichteten Willenserklärung in Anspruch.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.298,88 Euro zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit nach Übergabe des Kraftfahrzeuges Audi A4 Avant 2.0 TDI, Fahrzeugidentifizierungsnummer W..., nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren am Hauptsitz der Beklagten,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Kraftfahrzeuges gemäß Antrag zu 1 in Verzug befindet,

3. festzustellen, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag mit der Nr.: ... seit Zugang des Widerrufsschreibens des Klägers vom 25.05.2021 kein Anspruch mehr gegen den Kläger auf vertragsgemäße Zins- und Tilgungsleistungen zusteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.474,89 Euro als Nebenforderung zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen;

sowie hilfsweise für den Fall der Stattgabe mit Blick auf den Klageantrag zu 1 im Wege der Widerklage

1. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs Audi A4 Avant S line 2.0 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer: W..., zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung von Beschaffenheit, Eigenschaft und Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war;

2. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten den vereinbarten Sollzins in Höhe von 1,97 % p. a. für einen Zeitraum zwischen Auszahlung des Darlehens und Rückgabe des Fahrzeugs aus Ziffer 1 zu zahlen.

Weiter hilfsweise für den Fall der Stattgabe in Bezug auf die Klageanträge zu 2 und 3 hat die Beklagte im Wege der Widerklage beantragt,

den Kläger zu verurteilen, das im Klageantrag zu 1 identifizierte Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen.

Der Kläger hat beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Durch Urteil vom 13. Juni 2022 hat das Landgericht festgestellt, dass der Beklagten aufgrund des Widerrufs ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 25.05.2021 kein Anspruch mehr gegen den Kläger auf vertragsgemäße Zins- und Tilgungsleistungen zustehe, im Übrigen hat es die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Auf die Widerklage hat es festgestellt, dass der Kläger verpflichtet sei, das näher bezeichnete Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen. Hinsichtlich des Sachverhalts und der Begründung wird auf die Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Juni 2022 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 14. Juli 2022 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz von Montag, dem 15. August 2022, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, hat der Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. September 2022 beantragt, die antragsgemäß gewährt wurde.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2022 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, d...

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