Zur Bewältigung der Coronakrise hatte die Bundesregierung kürzlich das dritte Bevölkerungsschutzpaket vorgelegt. Die Novelle enthält insb. eine gesetzliche Präzisierung hinsichtlich der Eingriffe in grundrechtlich geschützte Freiheiten. Zu diesem Zweck werden im Infektionsschutzgesetz (IfSG) u.a. die möglichen Schutzvorkehrungen zur Bekämpfung des Coronavirus konkretisiert. Das Fehlen einer solchen Konkretisierung war bisher ein Hauptkritikpunkt an behördlich angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen und hat mehrfach zur Aufhebung von Anordnungen durch Gerichte geführt. Daneben will die Neuregelung neue Erkenntnisse über das Coronavirus einbeziehen und einen Rahmen für künftige Impfprogramme setzen. Das Gesetzesvorhaben wurde Mitte November parlamentarisch mit äußerster Dringlichkeit behandelt: Am 18.11.2020 beschloss der Bundestag die Novelle in zweiter und dritter Lesung, noch am gleichen Tag stimmte der Bundesrat zu. Unmittelbar anschließend wurde das Gesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt.

Zuvor waren im Gesundheitsausschuss des Bundestags Experten zu der geplanten Novelle angehört worden. Dort ergab sich ein geteiltes Bild: Während sich die Gesundheitsexperten ganz überwiegend positiv zu dem Vorhaben äußerten, kam Kritik v.a. von den Rechtsexperten. So bemängelte eine Juristin von der Ruhr Universität Bochum, dass der neue § 28a IfSG den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht genüge. Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Gerichte würden die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage akzeptieren. Ebenso riet die Rechtsexpertin von der Universität Jena von der geplanten Änderung ab. Auch sie mahnte an, die Ermächtigungsgrundlage für infektionsrechtliche Eingriffe in Grundrechte bestimmter zu fassen: Es bedürfe einer sorgsameren und ausführlicheren Regelung der infektionsschutzrechtlichen Bekämpfungsmaßnahmen. Die Bundesärztekammer sah u.a. die geplante Erfassung von Daten i.R.d. geplanten Corona-Impfungen kritisch.

Einige der Kritikpunkte nahm der Gesundheitsausschuss dann tatsächlich in seine Empfehlungen an den Bundestag auf. So wurde der Katalog der Schutzmaßnahmen an einigen Stellen, an denen er vorher besonders unbestimmt war, präzisiert. Auch die Pflicht zur Kontaktdatenerhebung wurde an einigen Stellen eingegrenzt.

Auch bereits im Vorfeld der Anhörung gab es vielfach Kritik, etwa seitens der Anwaltschaft: So bemängelte die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dass sich das Gesetz in der beispielhaften Aufzählung von möglichen Maßnahmen erschöpfe. Es fehle eine Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen, kritisierte BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels in einem Schreiben an die Mitglieder des Bundestags-Rechtsausschusses. Und der Deutsche Anwaltverein (DAV) befürchtet v.a., dass die Neuregelung die Tätigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten einschränken könnte. Der Verein verlangte deshalb eine Ergänzung des Gesetzes dergestalt, dass das Recht der Bürger, sich an einen Anwalt zu wenden, durch Infektionsschutzanordnungen nicht beschränkt werden könne.

[Quellen: Bundestag/BRAK/DAV]

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