Es ist – leider – ein Massenphänomen, dass begründete Forderungen nicht ausgeglichen werden. Gerade eher kleinere Forderungen im e-Commerce, der Versorgungswirtschaft, der Telekommunikation oder der Versicherungswirtschaft sind betroffen. Aber auch der Vermieter, der Handwerker, der Dienstleister und der Freiberufler sind vom Forderungsausfall tangiert. Tagtäglich müssen sich Gerichte mit diesen Forderungen auseinandersetzen und dies, obwohl mehrere Millionen dieser Forderungen schon im gerichtlichen Mahnverfahren über Vollstreckungsbescheide tituliert werden. Mehrere Milliarden Euro werden jedes Jahr erst durch Inkassodienstleister und Rechtsanwälte durchgesetzt und dann an den Gläubiger ausgekehrt. Um diese Situation rankt sich eine gesellschaftliche Diskussion um Verfahren und Kosten.

Der Streit dreht sich in der auf den Forderungsausfall bei Fälligkeit folgenden Forderungseinziehung weniger bis gar nicht um die Hauptforderung. Die Kosten der Rechtsverfolgung sind es, die im Fokus stehen. Wer darf wann was von wem verlangen? Juristisch ist das doch eigentlich einfach zu beantworten: Es gibt eine Pflichtverletzung, einen Täter und ein Opfer. Der Täter, der Schuldner, muss die Pflichtverletzung, die Nichtleistung, auf eine begründete Forderung ausgleichen und dem Opfer, dem Gläubiger, den aus der Pflichtverletzung erwachsenen Schaden, u.a. die Rechtsverfolgungskosten, zahlen. Denn wer soll es denn sonst zahlen? Der – vom Schuldner zu unterscheidende – Verbraucher über die Preise oder der Arbeitnehmer über den Druck der Preise und Produktionskosten? Macht es am Ende einen Unterschied, wer die Leistung erbringt? Kann es eine Rolle spielen, wer die Forderungseinziehung leistet oder muss der Gläubiger das alles gar selbst tun? Und hat eigentlich die Höhe der Hauptforderung etwas mit dem Aufwand der Forderungseinziehung zu tun, so dass Rechtsverfolgungskosten nie über dem Betrag der Hauptforderung liegen dürfen?

Fragen, die bis heute nicht beantwortet sind und die 3. Auflage dieses Buches nötig machen. Es hat es viele Jahrzehnte gedauert bis aus dem kaufmännischen Mahner im Inkasso zum 1.7.2008 mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz der Inkassodienstleister zum Rechtsdienstleister wurde. Mehr vom Bundesverfassungsgericht erzwungen als wirklich gewollt, wenn man ehrlich ist. Davon hat die 1. Auflage dieses Buches gehandelt; von richtigen Entwicklungen, Widersprüchen und Verwerfungen. Es hat dann nur fünf Jahre gedauert, um die Unterschiede zwischen dem Inkassodienstleister und dem Rechtsanwalt betonen zu wollen, was Gegenstand des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken war. Davon handelte die 2. Auflage dieses Buches; von Irrtümern und der Regelung des seriösen Inkassos, obwohl man das unseriöse Inkasso bekämpfen wollte. Es hat dann nur weitere fünf Jahre gedauert, um im Jahre 2018 die Rechtsgrundlage für eine Inkassovergütungsverordnung wieder abzuschaffen, weil sie – erkennbar – verfassungswidrig war. So schmerzhaft dieser Prozess war, hat er doch eine Frage richtig beantwortet. Es kommt nicht darauf an, wer eine Forderung einzieht, sondern wann dies in welcher Weise getan wird. Dieser Erkenntnis hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht nun an erster Stelle zum Durchbruch verholfen. Es kommt – auch für die Vergütung – nicht darauf an, wer die Forderung einzieht, sondern ob von dem Rechtsanwalt oder dem Inkassodienstleister eine Rechts- oder eine Inkassodienstleistung erbracht wird. Zwei Dienstleistungen, die sich überschneiden, aber auch unterscheiden. Davon handelt die nun vorliegende 3. Auflage dieses Buches. Verfassungsrechtlich, berufsrechtlich und hinsichtlich ihrer auf die Forderungseinziehung bezogenen Sachkunde auf Augenhöhe gleichberechtigt stehen Rechtsanwalt und Inkassodienstleister dem Gläubiger als Rechtsdienstleister zur Verfügung und dem Schuldner als Gegner gegenüber. Die 3. Auflage kann sich deshalb mehr der Abgrenzung der Rechtsdienstleistung von der Inkassodienstleistung widmen als der bisher notwendigen Betrachtung der beiden Rechtsdienstleister. Das ist schon einmal der richtige Weg.

Diese Abgrenzung muss geleistet werden, weil der Gesetzgeber im wahrsten Sinne des Wortes der Auffassung ist, die Inkassodienstleistung sei weniger wert als die Rechtsdienstleistung und dies umso mehr, wenn die einzuziehende Forderung eine Kleinforderung bis zu 50 EUR ist. In § 13 Abs. 2 RVG und § 31b RVG sowie den Nrn. 2300 Abs. 2 und 1000 Nr. 2 VV RVG setzt er sie kostenrechtlich zurück. So kann die 4. Auflage dieses Buches schon in den Blick genommen werden, denn die Irrtümer des Gesetzgebers sind auch mit der neuen Gesetzesnovelle nicht beseitigt. Die Grundannahme des geringeren Aufwandes der Inkassodienstleistung gegenüber der Rechtsdienstleistung ist nämlich durch nichts belegt. Sie ist nur behauptet. Wenn doch die einen – die Verbraucherschutzorganisationen und die Schuldnerberatungsstellen – der Auffassung sind, die Rechtsverfolgungskosten nach dem RVG in ...

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