BGH: Sammelklage-Inkasso ist zulässig

Der BGH sieht im sogenannten Sammelklage-Inkasso keine unzulässige Rechtsdienstleistung. Das Geschäftsmodell des Inkassounternehmers darf auch von vornherein auf die gerichtliche Einziehung von Forderungen abzielen.

Mit seiner Entscheidung hat der BGH den Legal-Tech-Unternehmen, die mit einer Inkasso- Lizenz arbeiten, deutlich den Rücken gestärkt und den Inkassobegriff erneut sehr weit gefasst. Inkassounternehmen dürfen sich danach gleichartige Forderungen ihrer Kunden abtreten lassen und diese in einem einzigen Klageverfahren gerichtlich geltend machen.

Inkassounternehmen will Kundenforderungen gegen Air Berlin durchsetzen

In dem vom BGH entschiedenen Fall war die Klägerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Rechtsdienstleister für Inkassodienstleistungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registriert. Auf der von ihr betriebenen Website hatte sie dafür geworben, Ansprüche gegen die insolvente „Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ auf Rückzahlung bereits geleisteter Flugpreise für infolge der Insolvenz nicht durchgeführte Flugreisen zu bündeln und für die betroffenen Kunden gesammelt geltend zu machen. Kosten für die Kunden: Keine. Im Erfolgsfall sollte die Klägerin eine Provision von 35 % des Nettoerlöses nach Einzug der Forderung einbehalten dürfen.

Schadensersatzklage für 7 Kunden aus abgetretenem Recht

Nachdem 7 Kunden der Klägerin den Auftrag zur Forderungseinziehung erteilt hatten, klagte diese aus abgetretenem Recht auf Schadenersatz gegen den ehemaligen Geschäftsleiter der Luftfahrtgesellschaft mit der Begründung, dieser habe den Insolvenzantrag verspätet gestellt und sei daher persönlich wegen Insolvenzverschleppung zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadenersatz sei durch Erstattung der bereits erbrachten Zahlungen auf die Flugpreise gegenüber den Kunden zu leisten.

Klage aus abgetretenem Recht ist zulässige Inkassodienstleistung

Der BGH hat die in den Vorinstanzen abgewiesene Klage als zulässig eingestuft. Die Klageerhebung aus abgetretenem Recht der Kunden sei eine nicht zu beanstandende Rechtsdienstleistung und vom Inkassobegriff des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG gedeckt.

  • Gemäß § 2 Abs. 1 RDG sei Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
  • Die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen sei gemäß § 2 Abs. 2 RDG eine zulässige Inkassodienstleistung
  • und dürfe von Gesellschaften, die bei der zuständigen Behörde registriert sind, erbracht werden,
  • wenn sie aufgrund vorhandener Sachkunde gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 RDG grundsätzlich die Erlaubnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen besitzen.

Bündelung abgetretener Ansprüche in einem Klageverfahren zulässig

Nach Auffassung des BGH lässt sich weder dem Wortlaut noch der Systematik der Vorschriften des RDG entnehmen, dass das sogenannte Sammelklage-Inkasso, bei welchem der Inkassodienstleister für eine Vielzahl von Kundenforderungen aus abgetretenem Recht geltend macht, eine unzulässige Rechtsdienstleistung wäre. Der Schutzzweck des RDG sei es, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Dieser Schutzzweck werde durch das Sammelklage-Inkasso nicht tangiert.

Berufsausübungsfreiheit rechtfertigt weiten Inkassobegriff

Der Schutzzweck des RDG erfordere es auch nicht, Inkassomodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf die gerichtliche Einziehung von Forderungen abzielen, als unzulässig zu qualifizieren. Die Bündelung einer Vielzahl von Einzelforderungen in einem einzigen Klageverfahren ändere an dieser Wertung nichts, denn bei der Bewertung der Zulässigkeit einer Rechtsdienstleistung sei auch die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters zu berücksichtigen.

Forderungsabtretungen führen nicht zu Interessenkonflikt

Schließlich sah der BGH in der Tätigkeit der Klägerin auch nicht die Gefahr eines Interessenkonfliktes infolge der Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht. Die Bündelung mehrerer gleich gelagerter Forderungen in einem einzigen Verfahren lege die Gefahr der Entstehung einer solchen Konfliktlage nicht nahe. Aus diesem Grunde sei auch die zwischen der Klägerin und den Kunden von Air Berlin vereinbarte Forderungsabtretung ohne weiteres wirksam.

Die Vorinstanz muss erneut entscheiden

Da die Vorinstanz die Klage abgewiesen und keine Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten Insolvenzverschleppung durch den ehemaligen Geschäftsführer von Air Berlin getroffen hatte, hat der BGH das vorinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen.


(BGH, Urteil v. 13.7.2021, II ZR 84/20)