Richter dürfen auch mal auf den Tisch hauen
Richter sind nicht nur in ihren Entscheidungen, sondern auch in ihrer Arbeitsweise und damit auch in ihrer Art der Prozessführung frei. Das entbindet sie allerdings nicht von der Verpflichtung, sich gegenüber den Parteien möglichst sachlich und neutral zu verhalten. Das wiederum heißt nicht, dass Richter in bestimmten Prozesssituationen nicht eine deutliche und scharfe, gegebenenfalls auch emotional geprägte Reaktion auf das Verhalten einer Partei zeigen dürfen, solange diese Reaktion sich noch „einigermaßen auf der Sachebene“ bewegt.
Vorsitzender Richter schlug aus Verärgerung auf den Tisch
In diesem Kontext hatte sich das OLG München mit dem Befangenheitsantrag einer Partei zu befassen, die sich an dem etwas derben Verhalten des Vorsitzenden Richters und an diversen Unmutsäußerungen der Berichterstatterin in einem Zivilrechtsstreit störte. Der Vorsitzende Richter hatte nach einem etwas chaotischen Prozessverhalten der 3 Beklagten - von denen einer trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zum Termin erschienen war - seinen Unmut durch einen Schlag mit der flachen Hand auf den Richtertisch kundgetan und die Beklagten - mit besonderem Augenmerk auf die Beklagte zu 2 als Prozessvertreterin auch der übrigen Beklagten - in scharfem und energischem Ton auf ihre prozessualen Verhaltenspflichten hingewiesen.
Prozessvertreterin an anwaltliche Standespflichten erinnert
Anschließend hatte der Vorsitzende Richter die Verhandlung für einige Minuten unterbrochen, um den Beklagten Gelegenheit zu geben, ihre Unterlagen zu ordnen und sachgerecht auf die Fragen des Gerichts zu antworten. Die Beklagte zu 2 als Prozessvertreterin auch der übrigen Beklagten erinnerte der Vorsitzende Richter in diesem Zusammenhang zusätzlich an die Einhaltung der anwaltlichen Standespflichten.
Gericht zu energischem Verhalten durch die Beklagten provoziert
Dieses Verhalten des Vorsitzenden Richters war aus Sicht des OLG nicht geeignet, den Beklagten Veranlassung zu geben, an der Neutralität und Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters zu zweifeln. Insbesondere die Beklagte zu 2 als Prozessvertreterin habe durch ihr prozessuales Verhalten die deutlichen Unmutsäußerungen des Vorsitzenden Richters provoziert. Antworten auf Fragen des Gerichts zu Ungereimtheiten im Sachvortrag habe sie unter dem lapidaren Hinweis auf die aus ihrer Sicht unschlüssige Klage pauschal verweigert. Außerdem habe sie nicht nachvollziehbar erläutert, weshalb der Beklagte zu 3 trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erschienen war.
Streit gehört zum Wesenskern des Zivilprozesses
Das OLG betonte, dass mit einer gewissen Deutlichkeit und Schärfe zum Ausdruck gebrachte Unmutsäußerungen eines Richters nicht ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit begründen, solange sich die Äußerung noch „einigermaßen auf der Sachebene“ bewegt und keine persönliche Missachtung einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten zum Ausdruck bringt. Streit, mag er auch emotional und scharf geführt werden, gehöre zum Wesenskern eines kontradiktorischen Zivilprozesses. Persönliche Spannungen und durch starke Emotionen getragene Diskurse zwischen einem Richter und einem Prozessbevollmächtigten seien dabei nicht immer auszuschließen.
Für die Besorgnis der Befangenheit genügt der böse Schein
Eine Besorgnis der Befangenheit ist nach den Ausführungen des Gerichts dann gegeben, wenn aus Sicht der ablehnenden Partei nachvollziehbar ein vernünftiger und einigermaßen objektiver Grund besteht, der sie von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch und sachlich entscheiden (BGH, Beschluss v. 25.6.2024, RiZ 2/24). Dabei genüge bereits der böse Schein der Voreingenommenheit, auf die tatsächliche Befangenheit. Auf die innere Haltung des Richters komme es nicht an (BVerfG, Beschluss v. 3.3.2025,1 BvR 750/23).
Nachvollziehbarer Schlag auf den Richtertisch
Nach diesen Maßstäben sah das OLG im konkreten Verhalten des Vorsitzenden Richters keinen Anlass, an einer unparteiischen und neutralen Prozessführung zu zweifeln. Die nachhaltige Aufforderung an die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu plausiblem, nachvollziehbarem Sachvortrag, dies verbunden mit einem möglicherweise emotional ausgeführten Schlag auf den Richtertisch, sei angesichts des vorangegangenen Verhaltens der Beklagten und ihrer Prozessbevollmächtigten weder unangemessen noch habe der Vorsitzende Richter damit die Sachebene verlassen. Er habe lediglich aus gegebenem Anlass nachdrücklich die Einhaltung der prozessualen Pflichten angemahnt.
Auch Unmutsäußerungen der beisitzenden Richterin wurden provoziert
Gleiches gilt nach der Entscheidung des OLG für die Äußerungen der ebenfalls abgelehnten beisitzenden Richterin, die als Berichterstatterin eingesetzt war. Von ihr getätigte Äußerungen wie „Lassen Sie diese Spielchen“ hätten die Beklagten ebenfalls durch ihr chaotisches Prozessverhalten provoziert. So habe die Beklagtenvertreterin wiederholt geltend gemacht, diverse Schriftsätze nicht erhalten zu haben. Die Berufungserwiderung des Klägers habe den Beklagten nicht per beA zugestellt werden können. Die Übersendung des Empfangsbekenntnisses sei zweimal erfolglos moniert worden. Ähnlich chaotisch sei es bei der Zustellung der Ladung zum Termin gelaufen. Vor diesem Hintergrund habe auch die Berichterstatterin zu Recht ihren Unmut hierüber zum Ausdruck gebracht.
Non-liquet führt zur Ablehnung der Befangenheitsanträge
Schließlich wies das OLG auf den Grundsatz hin, dass die persönliche Unparteilichkeit eines Richters bis zum Nachweis des Gegenteils vermutet wird (EGMR, Urteil v. 23. April 2015, Az 29369/10). In einer Non-liquet-Konstellation, sei die nach §§ 44 Abs. 2, 294 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung der Befangenheitsgründe nicht gelungen (BGH, Beschluss v. 21.10.2010, V ZB 210/09). Die von den Beklagten über die vorgenannten Befangenheitsgründe hinaus vorgebrachten Tatsachen zur Begründung der Befangenheit hätten diese nicht in der erforderlichen Weise durch präsente Beweismittel belegt.
Keine Befangenheit des Gerichts
Im Ergebnis bestand damit laut OLG nach keiner Betrachtungsweise ein nachvollziehbarer, vernünftiger und plausibler Grund, an der Unparteilichkeit des Gerichts zu zweifeln. Die Befangenheitsanträge waren daher nicht erfolgreich.
(OLG München, Beschluss v. 26.9.2025, 19 U 2796/24 e
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