Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 241a Abs. 1 wird die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren allein vom Vorsitzenden durchgeführt.
2. Gem. § 241a Abs. 2 S. 2 kann der Vorsitzende den o.a. Verfahrensbeteiligten die unmittelbare Befragung des Zeugen gestatten.
3. In Zusammenhang mit der Vernehmung kindlicher Zeugen, insbesondere in sog. Missbrauchsfällen, kommt es häufig zum Einsatz von Videotechnologie.
 

Rdn 3714

 

Literaturhinweise:

Arntzen, Untere Altersgrenze der Zeugeneignung, DRiZ 1976, 20

Bölter, Handreichungen für die Bearbeitung von Strafverfahren wegen sexueller Straftaten an Kindern, DRiZ 1996, 273

Deckers, Glaubwürdigkeit kindlicher Zeugen, NJW 1999, 1365

Eggler, Befragung von kindlichen Zeugen, Kriminalistik 2009, 652

Hirsch, Vernehmung von Kindern und Jugendlichen als Zeugen, in: Gerst (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. 2020

Hussels, Kinder im Zeugenstand – eine aktuelle Betrachtung, NJW 1995, 1877

Kintzi, Stellung des Kindes im Strafverfahren – 1.Teil: Das Kind als Opferzeuge, DRiZ 1996, 184

Meier, Zwischen Opferschutz und Wahrheitssuche – Überlegungen zur Rechtsstellung von kindlichen Zeugen im Strafprozeß, JZ 1991, 638

ders., Kinder als Opfer von Straftaten, GA 1995, 151

Zschockelt/Wegner, Opferschutz und Wahrheitsfindung bei der Vernehmung von Kindern im Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs, NStZ 1996, 305

s.a. die Hinw. bei → Videovernehmung in der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 3900 und → Zeuge, Vernehmung, Allgemeines, Teil Z Rdn 4151.

 

Rdn 3715

1.a) Nach § 241a Abs. 1 wird die Vernehmung von Zeugen unter 18 Jahren allein vom Vorsitzenden durchgeführt (zu Kindern im Zeugenstand allgemein Hussels NJW 1995, 1877; zur Zeugnisfähigkeit Arntzen DRiZ 1976, 20 [ab fünf Jahren sei nicht einmal die Hälfte der Zeugen für eine Aussage geeignet]; Eisenberg, Rn 1411 [Grenze, ab der Kinder überhaupt als Zeugen in Betracht kämen, liege bei etwa vier Jahren]). Der Vorsitzende muss die Besonderheiten bei der Vernehmung eines kindlichen/jugendlichen Zeugen beachten (dazu eingehend Deckers NJW 1999, 1365, 1367 ff.). Dabei ist insbesondere die richtige/altersgerechte Belehrung wichtig. Von Bedeutung ist auch, dass wegen besonderer Suggestibilität von Kindern gerade der kindliche Zeuge die Möglichkeit erhalten sollte, zunächst den eigentlichen Zeugenbericht zu erstatten (zu allem a. Gerst/Gerst, § 241a Rn 1 ff. und Gerst/Hirsch, Teil 1, Kap. 5).

 

Rdn 3716

Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den minderjährigen Zeugen vor den psychischen Belastungen der HV im Rahmen des Möglichen zu schützen. Ergänzt wird die Vorschrift dadurch, dass, wenn es sich bei dem Zeugen um den Verletzten handelt, nach § 406f Abs. 2 S. 1 auf Antrag einer Vertrauensperson die Anwesenheit in der HV zu gestatten ist, wenn dadurch der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird (Nr. 19a Abs. 1 S. 2, 222 Abs. 1 S. 1 RiStBV; s.a. → Psychosoziale Prozessbegleitung, Teil R Rdn 2559).

 

☆ Der Verteidiger muss besonders darauf achten, dass ggf. anwesende Vertrauenspersonen den Zeugen weder in der Frage, ob er überhaupt aussagen will (ZVR), noch im Bericht beeinflussen oder unterbrechen. Sollte es jedoch dazu kommen, so sollte das in dem →  Protokoll der Hauptverhandlung Allgemeines , Teil P Rdn  2522 , festgehalten werden ( Deckers NJW 1999, 1365, 1367). Darüber hinaus hat muss der Verteidiger ggf. darauf hinweisen, dass bereits die Anwesenheit einer Vertrauensperson zu einer Beeinträchtigung der Aussagequalität führen kann (vgl. Eggler , Krim 2009, 652).Vertrauenspersonen den Zeugen weder in der Frage, ob er überhaupt aussagen will (ZVR), noch im Bericht beeinflussen oder unterbrechen. Sollte es jedoch dazu kommen, so sollte das in dem → Protokoll der Hauptverhandlung Allgemeines, Teil P Rdn 2522, festgehalten werden (Deckers NJW 1999, 1365, 1367). Darüber hinaus hat muss der Verteidiger ggf. darauf hinweisen, dass bereits die Anwesenheit einer Vertrauensperson zu einer Beeinträchtigung der Aussagequalität führen kann (vgl. Eggler, Krim 2009, 652).

 

Rdn 3717

b) Die beisitzenden Richter, der StA, der Angeklagte und der Verteidiger können gem. § 241a Abs. 2 S. 1 vom Vorsitzenden verlangen, dass er – nach seiner Vernehmung – dem minderjährigen Zeugen weitere Fragen stellt. Darauf haben diese Verfahrensbeteiligten einen Anspruch (KK-Schneider, § 241a Rn 4; s.a. u. Teil V Rdn 3720).

 

Rdn 3718

2.a) Gem. § 241a Abs. 2 S. 2 kann der Vorsitzende den o.a. Verfahrensbeteiligten die unmittelbare Befragung des Zeugen gestatten, wenn ein Nachteil für das Wohl des Minderjährigen nicht zu befürchten ist. Ob das zutrifft, hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Selbst wenn eine Gefährdung des Kindeswohls nicht zu erwarten ist, hat der Fragesteller keinen Anspruch auf unmittelbare Befragung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 5 m.w.N.). Maßgebend für die Entscheidung des Vorsitzenden sind die Umstände des Einzelfalls, also z.B. die Schwere des Tatvorwurfs und der Inhalt der Zeugenaussage. Der Vorsitzende kann die erteilte Erlaubnis jederzeit wieder en...

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