Rz. 35

Zwar ist von der Rechtsprechung nicht ganz eindeutig geklärt, ob Freiwilligkeitsvorbehalte tatsächlich der Inhaltskontrolle unterliegen, da sie ja gerade der Verhinderung eines vertraglichen Anspruches dienen und es damit bereits an einer Vertragsbedingung fehle. Um eine mögliche Unwirksamkeit zu vermeiden – und auch weil die besseren Argumente für eine Kontrollfähigkeit sprechen – sollten dennoch die Maßstäbe der Rechtsprechung, die von einer Kontrollfähigkeit ausgehen, angelegt werden. Ein vertraglicher pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen, unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, ist unwirksam.[1] Unwirksam ist beispielsweise nach dem 5. Senat des BAG eine Regelung, mit der eine monatliche Leistungszulage unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt wird, da dies gegen den Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten) verstoße.[2] Bezüglich Sonderzahlungen geht der 10. Senat davon aus, dass diese grundsätzlich wirksam unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden können.[3]

Auch darf der Freiwilligkeitsvorbehalt keine späteren Individualabreden im Sinne von § 305b BGB erfassen, diese gehen den AGB vor. Auch in einer neueren Entscheidung hält das Gericht an der sonstigen Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts ausdrücklich fest. Hier wird nach noch in der Revision befindlicher Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg sogar verlangt, ausdrücklich hierauf hinzuweisen.[4]

Bei der Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts ist auf eine eindeutige Formulierung zu achten. Unklar ist insbesondere die häufig verwandte Formulierung "freiwillig und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs". Diese Klausel ist widersprüchlich, weil der Freiwilligkeitsvorbehalt die Entstehung des Anspruchs ausschließen soll, während der Widerrufsvorbehalt die Beseitigung eines entstandenen Anspruchs ermöglicht. Die Rechtsprechung neigt hier teilweise dazu, im Zweifel die Klausel als Widerrufsvorbehalt auszulegen.[5] Unter der Geltung von § 305c Abs. 2 BGB bzw. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB droht eventuell sogar die Gesamtnichtigkeit des Vorbehalts.[6] Deshalb sollte eine Kombination aus Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt vermieden werden.

 
Praxis-Beispiel

Die Zahlung einer Gratifikation oder sonstigen zusätzlichen unregelmäßigen Leistung erfolgt freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

Die Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten bleibt aber trotz der bestehenden Rechtsprechung riskant. Sagt der Arbeitgeber beim Einstellungsgespräch – mitunter sogar schriftlich – zu, kann er sich hiervon nicht wieder durch einen pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag lösen. Besser ist, zu Gratifikationen und sonstigen Leistungen keinerlei Ankündigungen oder Versprechungen zu machen und von Jahr zu Jahr neu zu entscheiden, ob dem/den Arbeitnehmer/n aufgrund der konkreten Gegebenheiten zu diesem Zeitpunkt (Umsatz- und Gewinnentwicklung, Leistung etc.) eine Einmalzahlung gewährt werden soll. Auf die Einmaligkeit und das Fehlen einer Rechtspflicht für die Zukunft sollte ausdrücklich und nachweisbar hingewiesen werden.

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