Leitsatz (amtlich)

1. Bei öffentlichem Parkraum besteht in gleicher Weise wie bei sonstigen Verkehrsflächen eine Verkehrssicherungspflicht entsprechend dem Zweck der Verkehrseinrichtung. Dabei ist auch für den Schutz von Fußgängern zu sorgen, die als Fahrer oder Fahrzeuginsassen den Parkraum benutzen müssen.

2. Um eine "gefährliche Stelle", die besonderer Aufmerksamkeit des Verkehrssicherungspflichtigen bedarf, handelt es sich bei gelockerten Gehwegplatten (auf dem Parkplatz), die hohl liegen. Denn auch ein umsichtiger Fußgänger muss mangels Erkennbarkeit nicht damit rechnen und kann sich daher auch nicht darauf einstellen, dass eine solche Platte beim Begehen zur Seite kippt. Der Verkehrs-sicherungspflichtige muss daher die Gehwegplatten auf derartige Gefahren hin überprüfen.

3. Dabei genügt eine - sorgfältige - Sichtprüfung nur dann, wenn der Plattenbelag keine Auffälligkeiten aufweist. Weist der Belag jedoch an einigen Stellen bereits Unregelmäßigkeiten durch ausgebrochene oder lose Platten auf, sind solche Schadstellen näher - auch auf Hohlstellen - zu überprüfen und ggf. auszubessern, um den sich aus dem Wegbrechen solcher (hohl liegender) Platten für Fußgänger drohende besonderen Gefahren zu begegnen.

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 12.07.2004; Aktenzeichen 3 O 636/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Gera vom 12.7.2004 - Az.: 3 O 636/04 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.500 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 6.4.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung des LG hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schmerzensgeld im tenorierten Umfang.

Da die Beklagte die streitgegenständliche Fläche als öffentlichen Parkraum ausgewiesen hat und darüber hinaus das Parken nur gegen eine Parkgebühr gestattet, ist sie für den Parkbereich verantwortlich im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB, 49 Abs. 3 ThürStrG (OLG Jena, Urt. v. 28.11.2000 - 3 U 181/00, GmbHR 2002, 1032 = MDR 2002, 961 = DAR 2001, 80 [81]), die in Thüringen hoheitlich ausgestaltet ist (§§ 10 Abs. 1, 43 ThStrG) und deren Verletzung Amtshaftungsansprüche gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auslöst.

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich dabei insb. nach dem Zweck der betreffenden Verkehrseinrichtung. Die Straßenverkehrssicherungspflicht soll den Gefahren begegnen, die aus der Zulassung eines öffentlichen Verkehrs auf öffentlichen Straßen oder Plätzen entstehen können. Gefährlich ist eine Straßenstelle, deren Beschaffenheit die Möglichkeit eines Unfalls auch dann nahe legt, wenn ein sorgfältiger Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Benutzung die Gefahr nicht ohne weiteres oder nicht rechtzeitig erkennen kann, also sich darauf nicht ohne weiteres einzustellen und einzurichten vermag. Dabei muss der Pflichtige sich auch darauf einstellen, dass im Straßenverkehr gelegentliche Fehlhandlungen nicht immer vermeidbar sind, wenn er auch nicht auf völlig unaufmerksame, gänzlich unverständige oder betrunkene Personen bei dem Maß seiner regelmäßigen Sicherungen Rücksicht zu nehmen braucht (BGH, Urt. v. 29.1.1968 - III ZR 127/65, VersR 1968, 399 [400]).

Bei Parkplätzen erstreckt sich die Sicherungspflicht in gleicher Weise wie bei Fahrbahnen nicht nur auf die Beschaffenheit der Verkehrseinrichtung selbst, sondern ganz allgemein auf die Abwendung derjenigen Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern aus ihrer Benutzung drohen. Sie umfasst dabei, wie die gesamte Fahrbahn, auch den gesamten Parkplatz bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist (BGH, Beschl. v. 27.4.1989 - III ZR 193/88, BGHR BGB § 823 Abs. 1 Verkehrssicherungspflicht 23; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.1971 - 10 U 217/70, VersR 1973, 355); für gebührenpflichtige Parkplätze gilt kein anderer Maßstab (OLG Jena, Urt. v. 28.11.2000 - 3 U 181/00, GmbHR 2002, 1032 = MDR 2002, 961 = DAR 2001, 80 [81]). Auch für den Schutz von Fußgängern ist zu sorgen, weil diese als Fahrzeuginsassen den Parkplatz benutzen müssen (BGH, Urt. v. 29.1.1968 - III ZR 127/65, VersR 1968, 399 [400]). Der Verkehrssicherungspflichtige muss darauf Bedacht nehmen, dass sich dann für Fußgänger zwanglos eine Verkehrssituation ergeben kann, die sie veranlasst, um den geparkten Wagen herumzugehen (BGH, Urt. v. 29.1.1968 - III ZR 127/65, VersR 1968, 399 [400]) und die Gehwegplatte hinter dem Fahrzeug zu betreten. Die Beklagte musste bedenken, dass Fahrzeuginsassen aus- und einsteigen, sich einen Parkschein kaufen, zu Beginn bzw. zum Ende der Parkzeit den Kofferraum öffnen, um etwas herauszunehmen oder hineinzulegen.

Um eine "gefährliche Stelle" handelt es sich in der Regel bei gelockerten Gehweg...

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