Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht bei losen Gehwegplatten

 

Leitsatz (amtlich)

Treten keine Auffälligkeiten im Belag eines Gehwegs hervor, genügt zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht im Allgemeinen eine sorgfältige Sichtprüfung.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 18.01.2007; Aktenzeichen 6 O 196/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin vom 26.2.2007 gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lübeck vom 18.1.2007 - 6 O 196/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ersatz materieller und immaterieller Schäden aus einem Unfall der Klägerin auf dem Sportplatz der Beklagten, der durch eine lose Platte verursacht worden sein soll.

Das LG Lübeck hat mit dem vorbezeichneten Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach der Beweisaufnahme zwar feststehe, dass die Klägerin über eine wackelnde Gehwegplatte gestolpert sei, dass die Beklagte jedoch ihren Verkehrssicherungspflichten nachgekommen sei, dass der Zeuge A. mindestens einmal die Woche den streitgegenständlichen Gehweg mit der Hand gefegt und darüber hinaus Müll aufgesammelt habe. Weiter stehe fest, dass der Zeuge in der Woche vor dem Sportfest einmal außer der Reihe auf dem Sportplatz gewesen sei, da er mit einem großen Besucherandrang gerechnet habe und den Platz entsprechend habe vorbereiten wollen. Eine darüber hinausgehende gezielte Kontrolle jeder Platte auf Kippeligkeit sei nicht angezeigt gewesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass der Auffassung des LG nicht darin gefolgt werden könne, dass die Beklagte ihren Verkehrssicherungspflichten nachgekommen sei. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil und die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Rechtszügen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung kann in der Sache keinen Erfolg haben.

Der Senat ist nach § 529 ZPO an die Tatsachenfeststellungen des LG gebunden, nach denen an der Unfallstelle eine kippelnde Platte vorhanden war nach denen der Zeuge A. mindestens einmal in der Woche den streitgegenständlichen Gehweg mit der Hand (also ohne eine Kehrmaschine zu Hilfe zu nehmen) fegt und darüber hinaus Müll aufsammelt und nach denen weiter feststeht, dass der Zeuge in der Woche vor dem Sportfest einmal außer der Reihe auf dem Sportplatz war, da er mit einem großen Besucherandrang rechnete und den Platz entsprechend vorbereiten wollte.

Des Weiteren hat der Senat seiner Entscheidung die nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils unstreitige Tatsache zugrunde zu legen, dass auf der zur Straße hin gelegenen Seite des Gehweges oberhalb der Ränge des Sportplatzes in regelmäßigen Abständen fünf oder sechs Bäume gepflanzt sind, deren Alter und Größe zwischen den Parteien streitig geblieben ist.

Die Verkehrssicherungspflicht bestimmt sich nach der Art und dem Umfang der Benutzung eines Gehweges, auch auf einem Sportplatz, und umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Verkehrsteilnehmer, den Fußgänger, hinreichend sicheren Zustands. Dies bedeutet aber nicht, dass Gehwege schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein müssen; denn eine vollständige Gefahrlosigkeit kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Sicherungspflichtigen auch nicht verlangt werden. Vielmehr hat der Benutzer die Wege so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbieten, und sich den gegebenen Verhältnissen mit der notwendigen Sorgfalt anzupassen. Der Verkehrssicherungspflichtige muss aber die Gefahren ausräumen, vor denen auch ein sorgfältiger Verkehrsteilnehmer sich nicht selbst schützen kann, weil die Gefahrenlage entweder völlig überraschend eintritt oder nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Um eine solche "gefährliche Stelle" handelt es sich in der Regel bei gelockerten Gehwegplatten; denn es fällt erfahrungsgemäß optisch nicht auf, dass eine Platte "hohl" liegt. Da auch ein umsichtiger Fußgänger mangels Erkennbarkeit nicht damit rechnen und sich nicht darauf einstellen kann, dass eine Gehwegplatte beim Betreten kippelt, muss vom Verkehrssicherungspflichtigen grundsätzlich verlangt werden, dass Gehwege auf derartige Gefahren hin überprüft werden. Das gilt insb. auf Sportplätzen, auf denen die Aufmerksamkeit der Fußgänger weniger auf den Gehweg, sondern mehr auf das Geschehen auf dem Sportplatz gerichtet ist.

Der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsauffassung zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht ist darin beizutreten, dass die Anforderungen an diese Kontrolle nicht dahingehend überspannt werden dürfen, dass die Kontrolleure der Städte und Gemeinden sämtliche Platten auf einem Gehweg, und zwar auch auf einem Gehweg auf einem Sportplatz, einzeln durch Begehen auf eine Lockerung zu u...

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