Verfahrensgang

LG Gera (Beschluss vom 22.02.2006; Aktenzeichen 5 T 66/06)

 

Tenor

Die außerordentliche Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

1. Beim LG ist derzeit eine Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen einen vormundschaftsgerichtlichen Beschluss des AG Gera vom 3.2.2006 (Bl. 75 d.A.) anhängig, mit der die vom AG angeordnete Bestellung der Beteiligten zu 1) als Vormünder des Mündels angefochten wird. Auf Antrag des Beteiligten zu 2) vom 7.2.2006 (Bl. 86 d.A.) hat das LG mit Beschl. v. 22.2.2006 (Bl. 192 d.A.) im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 24 Abs. 3 FGG den Beschluss des AG außer Vollzug gesetzt, die Fortgeltung der Bestellung des Jugendamts zum Amtsvormund festgestellt und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Mündel dem Beteiligten zu 2) übertragen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1) mit der vorliegenden beim OLG eingelegten außerordentlichen Beschwerde wegen "greifbarer Rechtswidrigkeit" (Bl. 295 d.A.). Parallel dazu haben sie mit Schriftsatz vom 7.3.2006 beim LG Anhörungsrüge gem. § 29a FGG erhoben (Bl. 252 d.A.), über die nach Aktenlage derzeit noch nicht entschieden ist.

2. Die außerordentliche Beschwerde ist unzulässig.

a) Nach einhelliger Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist eine selbständige Anfechtbarkeit einer auf der Grundlage des § 24 Abs. 3 FGG vom Beschwerdegericht erlassenen einstweiligen Anordnung nicht gegeben (BGH v. 9.12.1996 - AnwZ (B) 48/96, BRAK 1997, 92 = NJW-RR 1997, 1149; v. 19.10.1992 - NotZ 42/92, MDR 1993, 84 = NJW 1993, 2040; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG. 15. Aufl., § 24 Rz. 24, m.w.N. der Rspr.).

b) Auch für einen vom Gesetz nicht vorgesehenen Rechtsbehelf in Gestalt einer außerordentlichen Beschwerde, wie er früher in der Rechtsprechung (BGH v. 12.10.1989 - VII ZB 4/89, BGHZ 109, 41 [43] = MDR 1990, 144; v. 20.6.1995 - XI ZB 9/95, BGHZ 130, 97 [99] = MDR 1996, 195; OLG Jena FGPRax 2000, 251; BayObLG FGPrax 1999, 160) für Fälle einer greifbaren Gesetzwidrigkeit für zulässig gehalten wurde, ist nach den Entscheidungen des BVerfG vom 30.4.2003 (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 ff.) und 7.10.2003 (BVerfG v. 7.10.2003 - 1 BvR 10/99, NJW 2003, 3687 ff.) sowie dem In-Kraft-Treten des § 29a FGG am 1.1.2005 kein Raum mehr. Diese Auffassung, die auch für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bereits seit 1.1.2002 von der überwiegenden Anzahl der OLG mit Blick auf die parallel durch das ZPO-Reformgesetz durch Einführung des § 321a ZPO neu geschaffene Rechtslage vertreten wurde (BayObLG v. 4.12.2002 - 2Z BR 120/02, MDR 2003, 410; KG FGPrax 2005, 66, OLG Frankfurt FGPRax 2004, 75; OLG Köln v. 9.4.2003 - 16 Wx 95/03, OLGReport Köln 2003, 228; offen gelassen in BayObLG FGPrax 2002, 218), kommt nach jetziger Rechtslage erst recht zum Tragen (OLG Zweibrücken v. 31.5.2005 - 3 W 52/05, OLGReport Zweibrücken 2005, 678 = MDR 2005, 1245).

aa) Mit der Vorschrift des § 29a FGG stellt das Gesetz für den Bereich einer Gehörsverletzung - neben der nach §§ 27 ff. FGG bestehenden Möglichkeit einer weiteren (sofortigen) Beschwerde - den speziellen Rechtsbehelf einer Selbstkorrektur des entscheidenden Gerichts zur Verfügung. Außerhalb dieses gesetzlichen Rechtsschutzsystems kommt ein außerordentliches Rechtsmittel auch dann nicht zur Anwendung, wenn nicht Gehörsverletzungen, sondern sonstige - etwa auf den Vorwurf einer "greifbaren Rechtswidrigkeit" gestützte - Verfahrensverstöße beanstandet werden.

Soweit in der Beschwerdebegründung in Übereinstimmung mit diversen Kommentarfundstellen (Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer/Holz, FGG, Nachtrag zur 15. Aufl., § 29a Rz. 26; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 29a Rz. 2) weiterhin für die Statthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde im Bereich außerhalb der in § 29a FGG geregelten Gehörsrüge plädiert wird, hält dieser Ansatz verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht stand. Zwar ist der Beschwerdebegründung und den vorgenannten Autoren zuzugeben, dass der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung des § 29a FGG die richterrechtliche Zulassung außerordentlicher Rechtsbehelfe außerhalb des Bereichs der in § 29a FGG geregelten Gehörsverletzungen nicht ausgeschlossen hat (BT-Drucks. 15/3706, 15 f., 19). Das BVerfG, das sich in seinen Beschlüssen vom 30.4.2003 (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 ff.) und 7.10.2003 (BVerfG v. 7.10.2003 - 1 BvR 10/99, NJW 2003, 3687 ff.) eingehend mit der Problematik auseinandergesetzt hat, hält jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen zurecht allein den Gesetzgeber zur abschließenden Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems für autorisiert. Es hat insb. der früheren Gerichtspraxis, wonach in außergewöhnlich gelagerten Fällen zur Schließung von Lücken im gesetzlichen Rechtsschutzsystem eine richterrechtlich - praeter legem - entwickelte außerordentliche Beschwerde für zulässig gehalten wurde, eine ausdrückliche Absage erteilt. Dabei hat es betont, dass solche am Gesetz vorbei geschaffenen außerordentlichen Rechtsbehelfe den Anforder...

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