Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Anzahl erfolgreicher Verfassungsbeschwerden ist sehr gering. Dennoch ist festzustellen, dass die StPO und das StGB von Anfang an einer Auslegung im Lichte des GG bedurft, diese z.T. aber auch erfahren haben.
2. Eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen ist dann begründet, wenn die gerichtliche Entscheidung entweder auf einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten beruht oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsnorm oder auf einer verfassungswidrigen Auslegung und Anwendung einer Norm.
3. Hält das Gericht eine nachkonstitutionelle Norm für verfassungswidrig, besteht gem. Art. 100 Abs. 1 GG ein Entscheidungsmonopol des BVerfG. Die verfassungsrechtliche Nachprüfung von Gesetzen im Rang unter dem formellen Gesetz obliegt im Fall der Entscheidungserheblichkeit jedem einfachen Richter. Vorrangig gegenüber dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit ist jedoch die verfassungskonforme Auslegung,
4. Die StPO wird als angewandtes Verfassungsrecht verstanden. Grundrechtsverletzungen können stets mit den strafprozessualen Rechtsmitteln, insbesondere der Revision beanstandet werden.
5. Ansatzpunkte, eine verfassungskonforme Auslegung anzumahnen, ergeben sich aus zwei Blickwinkeln. Einerseits gilt es zu beachten, dass die Grundrechte auf das Verfahren bereits als solches einwirken und andererseits eine objektive Wertordnung verkörpern.
 

Rdn 767

 

Literaturhinweise:

Eschelbach/Gieg/Schulz, Begründungsanforderungen an die Urteilsverfassungsbeschwerde in Strafsachen, NStZ 2000, 565

Fischer/Krehl, Strafrechtliche Revision, "Vieraugenprinzip", gesetzlicher Richter und rechtliches Gehör, StV 2012, 550

Meyer-Mews, Absehen von der Revisionshauptverhandlung – eine konventionswidrige Besonderheit im deutschen Strafverfahrensrecht, StraFo 2011, 14

Paeffgen/Wasserburg, Geheimnisse des Systems der Kontrolle, GA 2012, 535

s.a. die Hinw. bei → Revision, Allgemeines, Teil A Rdn 2007, und bei → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 730.

 

Rdn 768

1. Die Anzahl erfolgreicher Verfassungsbeschwerden ist sehr gering. Dennoch ist festzustellen, dass die StPO und das StGB von Anfang an einer Auslegung im Lichte des GG bedurft, diese z.T. aber auch erfahren haben (vgl. dazu insbesondere die Zusammenstellung der Rspr. des BVerfG bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Einfluss Grundgesetz, Teil A Rdn 1402). Neuere Entscheidungen, vor allem die verfassungsgerichtlichen Einwände gegen die Überdehnung des Schadensbegriffes bei § 266 StGB (BVerfGE 126, 170 ff.) und § 263 StGB (NJW 2012, 907 ff.) sollten dem Strafverteidiger Mut für weitere verfassungsrechtliche Beanstandungen machen (vgl. a. → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 757).

 

Rdn 769

2. Eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen ist dann begründet, wenn die gerichtliche Entscheidung

entweder auf einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten beruht (s. dazu a. → Verfassungsbeschwerde, Begründung, effektiver Rechtsschutz, Teil C Rdn 916; → Verfassungsbeschwerde, Begründung, gesetzlicher Richter – Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Teil C Rdn 883; → Verfassungsbeschwerde, Begründung, rechtliches Gehör, Teil C Rdn 999; → Verfassungsbeschwerde, Begründung, Ne bis in Idem, Teil C Rdn 1027),
oder (mittelbare Rechtssatzverfassungsbeschwerde) auf einer verfassungswidrigen Rechtsnorm (s. dazu a. → Verfassungsbeschwerde, Zulässigkeit, Beschwerdegegenstand, Teil C Rdn 1163),
oder auf einer verfassungswidrigen Auslegung und Anwendung einer Norm.
 

Rdn 770

3.a) Hält das Gericht eine nachkonstitutionelle Norm, d.h. ein Gesetz im formellen Sinn, das nach dem 24.5.1949 verkündet wurde, für verfassungswidrig, besteht gem. Art. 100 Abs. 1 GG ein Entscheidungsmonopol des BVerfG. Das Strafgericht hat in diesem Fall das Vorlageverfahren nach Art. 100 GG einzuleiten. Das Fachgericht muss von der Verfassungswidrigkeit der Norm, die für die gerichtliche Entscheidung von Bedeutung ist, überzeugt sein. Hat das Gericht Zweifel, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Art. 25 GG), so hat das Gericht ebenfalls gem. Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

 

☆ Die verfassungsrechtliche Nachprüfung von Gesetzen im Rang unter dem formellen Gesetz obliegt im Fall der Entscheidungserheblichkeit jedem (einfachen) Richter (vgl. BVerfGE 48, 40, 45 m.w.N.).im Rang unter dem formellen Gesetz obliegt im Fall der Entscheidungserheblichkeit jedem (einfachen) Richter (vgl. BVerfGE 48, 40, 45 m.w.N.).

Bei Meinungsverschiedenheiten über die Fortgeltung von früherem Recht als Bundesrecht entscheidet ebenfalls gem. Art 126 GG das BVerfG.

Auch vorkonstitutionelle Gesetze können dem Entscheidungsmonopol des BVerfG unterfallen, wenn bei einer späteren Änderung oder Ergänzung durch den Bundesgesetzgeber ein "konkreter Bestätigungswille" des Bundesgesetzgebers erkennbar geworden ist (vgl. BVerfGE, 6, 55, 65; 63, 181, 187).

 

Rdn 771

b) Gegenüber dem Verdikt der Verfassungswidr...

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