Das Wichtigste in Kürze:

1. Mit der Verfassungsbeschwerde können nur Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt angegriffen werden.
2. Auch gesetzgeberisches Handeln oder Unterlassen kann einen tauglichen Beschwerdegegenstand darstellen.
3. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Strafverteidigers in der Verfassungsbeschwerde besteht in dem Angriff gegen belastende Gerichtsentscheidung und ggf. einem mittelbaren Angriff gegen das zugrunde liegende Gesetz (mittelbare Rechtssatzverfassungsbeschwerde). Ein besonderes Problem stellen Zwischenentscheidungen dar.
 

Rdn 1157

 

Literaturhinweise:

Gertler, Neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anhörungsrüge in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Emmenegger/Wiedmann (Hrsg.), 2011, S. 53

Jost, Verfassungsprozessuale Probleme der Anhörungsrüge in: Rensen/Brink (Hrsg.), S. 59

s.a. die Hinw. bei → Verfassungsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 730.

 

Rdn 1158

1. Angriffsgegenstand der Verfassungsbeschwerde sind nur Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt (§ 90 Abs. 1 BVerfGG), wobei der Begriff der öffentlichen Gewalt hier die Exekutive, die gesetzgebende Gewalt und die Rspr. (Art. 1 Abs. 3; 20 Abs. 3 GG) umfasst (vgl. MAH-Eschelbach, § 30 Rn 17 ff.).

 

Rdn 1159

Für den Strafverteidiger stellt sich die Problematik insbesondere, wenn Private handeln. Der V-Mann Einsatz ist gesetzlich immer noch nicht geregelt. Aufgrund einer Änderung der Rspr. wird dieser aber mittlerweile dem Staat zugerechnet, wenn ein behördlicher Auftrag vorlag (vgl. EGMR StV 2004, 1 f.; BVerfG StV 2000, 233 f.) oder der Beschuldigte inhaftiert war (vgl. BGHSt 44, 129, 134 f.; zur Problematik VE/V-Mann Burhoff, EV, Rn 3813 ff., 4215 ff.; Burhoff, HV, Rn 3336 ff.).

 

Rdn 1160

Akte supranationaler Hoheitsträger können ggf. unter den Begriff der öffentlichen Gewalt subsumiert werden. Freilich hat dies für den Strafverteidiger nur geringe Bedeutung (vgl. Benda/Klein, Rn 538 ff.; Lechner/Zuck, § 90 Rn 122a).

 

Rdn 1161

2. Auch gesetzgeberisches Handeln oder Unterlassen kann einen tauglichen Beschwerdegegenstand darstellen. Ein Unterlassen des Gesetzgebers kann freilich nur dann gerügt werden, wenn ein ausdrücklicher Verfassungsauftrag zum Handeln vorliegt (Benda/Klein, Rn 549).

 

Rdn 1162

Soll direkt ein Gesetz angegriffen werden, ist die unmittelbare, gegenwärtige Selbstbetroffenheit des Betroffenen zu beachten. Bei einem unmittelbaren Angriff gegen ein Gesetz ist dem Betroffenen ein Zuwiderhandeln gegen eine straf- oder ordnungsrechtliche Norm zwar nicht zumutbar, aber gleichwohl spielt diese Möglichkeit in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle, sodass auf die weiterführende Lit. verwiesen wird (vgl. Benda/Klein, Rn 563 m.w.N.).

 

Rdn 1163

3.a) Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Strafverteidigers in der Verfassungsbeschwerde besteht in dem Angriff gegen belastende Gerichtsentscheidung und ggf. einem mittelbaren Angriff gegen das zugrunde liegende Gesetz (mittelbare Rechtssatzverfassungsbeschwerde). Entscheidungen der Großen Senate haben allerdings keine unmittelbare Außenwirkung und können demnach nicht mit der Urteils-Verfassungsbeschwerde angriffen werden, sondern erst die abschließende Entscheidung des vorlegenden Senats (vgl. BVerfGE 31, 55; 38, 386, 397).

 

☆ Bei Angriffen gegen ein Gesetz, muss dieses genau bezeichnet werden, vor allem nach Paragraf, Absatz und Satz (vgl. BVerfGE 109, 279, 305). Die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG gilt im Fall der nur mittelbaren Rechtssatzverfassungsbeschwerde nicht (vgl. BVerfGE 9, 338, 342; →  Verfassungsbeschwerde, Frist , Teil C Rdn  1127 ).Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG gilt im Fall der nur mittelbaren Rechtssatzverfassungsbeschwerde nicht (vgl. BVerfGE 9, 338, 342; → Verfassungsbeschwerde, Frist, Teil C Rdn 1127).

 

Rdn 1164

b)aa) Aus Sicherheitsgründen sollten innerhalb eines Instanzenzuges alle belastenden Entscheidungen angegriffen werden. Grds. kann es allerdings im Fall einer Beanstandung des nur materiellen Verfahrensergebnisses genügen, die letzte Entscheidung anzugreifen, die sich das materielle Entscheidungsergebnis der Vorinstanz zu eigen macht (vgl. Benda/Klein, Rn 552 mit dem Hinw. auf BVerfG EuGRZ 2006, 207, wonach dies im Fall der prozessualen Überholung sogar geboten sei; ebenso BVerfG, Beschl. vom 31.7.2014 – 2 BvR 571/14). Dennoch sollte jedenfalls das Urteil der letzten Tatsacheninstanz und der Revisionsinstanz angegriffen werden, wobei sich der Beschwerdeführer substantiiert mit allen angegriffenen Entscheidungen auseinanderzusetzen hat (vgl. Lenz/Hansel, § 90 Rn 183 ff.). Beim Instanzenzug AG-LG-OLG ist freilich das Urteil des AG durch das Berufungsurteil prozessual überholt (vgl. BVerfG NJW 2015, 2949).

 

Rdn 1165

I.Ü. ist hinzuweisen auf folgende

 

Beispielsfälle:

Die Entscheidung über die Anhörungsrüge (§ 356a) kann selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (vgl. BVerfGE 119, 292, 295) und sollte/muss angesichts der unklaren Rechtslage jedenfalls mit den weiteren Entscheidungen angegriffen we...

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