Das Wichtigste in Kürze:

1. Auch nach der Neufassung der Vorschriften über die AE in der StPO werden auch jetzt noch zahlreiche Fragen des Rechtsschutzes streitig behandelt.
2. Gerichtliche Entscheidungen über Anträge auf AE stellen keine Justizverwaltungsakte dar und sind daher nicht über §§ 23 ff. EGGVG angreifbar.
3. Die Frage der AE kann sich insbesondere auch in Zusammenhang mit Besetzungsfragen stellen.
 

Rdn 462

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. → Justizverwaltungsakte, Anfechtung (§§ 23 ff. EGGVG), Allgemeines, Teil B Rdn 310, und bei → Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Akteneinsicht, Teil B Rdn 67.

 

Rdn 463

1.a) Zum Thema Verweigerung der AE durch die StA sind in der Vergangenheit zahlreiche Entscheidungen im Zusammenhang mit §§ 23 ff. EGGVG ergangen. Diesen kommt nach der Neufassung der Vorschriften über die AE nur noch geringe Bedeutung zu. Gleichwohl werden auch jetzt noch zahlreiche Fragen streitig behandelt (vgl. auch → Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Akteneinsicht, Teil B Rdn 67, sowie eingehend zu den Fragen der AE Burhoff, EV, Rn 138 ff.; zu den Rechtsmitteln Rdn 404 ff.).

 

Rdn 464

b) Unstr. ist, dass §§ 23 ff. EGGVG dann keine Anwendung finden, wenn einer der in § 147 Abs. 5 S. 2 benannten Fälle einschlägig ist. Denn unabhängig von der Frage, ob Entscheidungen der StA im EV über die Gewährung von AE als Justizverwaltungsakte oder als Prozesshandlungen anzusehen sind, greift jedenfalls die Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG ein.

 

Rdn 465

c) Kontrovers werden die Fälle diskutiert, die nicht unter § 147 Abs. 5 S. 2 zu subsumieren sind. Dazu folgender

 

Rdn 466

 

Überblick:

Nach Auffassung des OLG Frankfurt/Main (NStZ-RR 2005, 376 ist im laufenden EV ein Rückgriff auf §§ 23 ff. EGGVG ausgeschlossen, so weit nicht willkürliche Versagung der AE im Raum stehe. Demnach verbleiben allein die Möglichkeiten einer Gegenvorstellung bzw. Dienstaufsichtsbeschwerde (→ Dienstaufsichtsbeschwerde, Teil B Rdn 262; → Gegenvorstellung, Allgemeines, Teil B Rdn 274, m.w.N.).
Im Fall der Einstellung nach § 170 Abs. 2 bzw. § 154 Abs. 1 geht die h.M. von einer entsprechenden Anwendung von § 147 Abs. 5 S. 2 aus (OLG Hamm NJW 2003, 768; SK-Wohlers, § 147 Rn 118; KK-Laufhütte/Willnow, § 147 Rn 26; a.A. LR-Lüderssen/Jahn, § 147, Rn 164 [§§ 23 ff. EGGVG]; vgl. a. Burhoff, EV, Rn 342 ff.).
Auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens soll § 147 Abs. 5 S. 2 Anwendung finden (LR-Lüderssen/Jahn, § 147 Rn 165; Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 39; a.A. Radtke/Hohmann/Hohmann, § 147 Rn 34; zu allem a. Burhoff, EV, Rn 348 ff.).
In dem besonderen Fall der Versagung der Einsicht in die den Ermittlungsakten nicht beigefügten Spurenakten nimmt die noch h.M. ausgehend von BVerfG NJW 1983, 1043 die Eröffnung der §§ 23 ff. EGGVG an (Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 40; KK-Mayer, § 23 EGGVG Rn 96; Kissel/Mayer, § 23 EGGVG Rn 157; OLG Hamm NStZ 1984, 423; s. Burhoff, EV, Rn 318 ff.). Auch hier hat sich aber bereits eine Gegenmeinung gebildet, die § 147 Abs. 5 S. 2 generell den Vorrang einräumt (OLG Rostock NZWiSt 2015, 351, 353; KK-Laufhütte/Willnow, § 147 Rn 26; LR-Böttcher, § 23 EGGVG Rn 117).
Wird dem Beschuldigten AE gewährt, kann der Verletzte dies ebenfalls über § 147 Abs. 5 S. 2 anfechten (OLG Stuttgart NJW 2006, 2565, 2567; SK-Wohlers, § 147 Rn 111; a.A. LR-Lüderssen/Jahn, § 147 Rn 159 [§§ 23 ff. EGGVG]; vgl. a. Burhoff, EV, Rn 262 ff.).
 

☆ Insgesamt ist noch einiges nicht abschließend geklärt. Verteidigern kann in entsprechenden Situationen nur empfohlen werden, auch in Zukunft um gerichtlichen Schutz nachzusuchen , um die Gerichte zu animieren, in einschlägigen extremen Fällen zumindest ein Mindestmaß an Rechtsschutz für den Beteiligten zu verwirklichen ( Dallmeyer in: HBStrVf Kap. II, Rn 359; Burhoff , EV, Rn 361 ff.).empfohlen werden, auch in Zukunft um gerichtlichen Schutz nachzusuchen, um die Gerichte zu animieren, in einschlägigen extremen Fällen zumindest ein Mindestmaß an Rechtsschutz für den Beteiligten zu verwirklichen (Dallmeyer in: HBStrVf Kap. II, Rn 359; Burhoff, EV, Rn 361 ff.).

 

Rdn 467

d) Werden die strafrechtlichen Ermittlungen durch die Finanzbehörden durchgeführt (§ 386 Abs. 2 AO), richtet sich das Recht auf AE über § 385 AO nach denselben Regelungen, die im Fall der StA als aktenführender Behörde gilt. Nach Abschluss des Verfahrens kann bei Versagung von AE diese nur vor den Finanzgerichten durchgesetzt werden (BFH NJW 1978, 78; OLG Karlsruhe NJW 1978, 1338).

 

Rdn 468

e) Werden von den Polizeibehörden Kriminalakten geführt, die der Durchführung eines konkreten Strafverfahrens dienen, stellt die Versagung der AE eine Maßnahme einer Justizbehörde im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG dar (Kissel/Mayer, § 23 EGGVG, Rn 104). Verbleibt die Akte indessen nach Abschluss des Verfahrens bei der Polizei, nimmt die verwaltungsgerichtliche Rspr. einen Schwerpunkt in der Aktenführung aus präventiven Gründen an, sodass die Versagung von AE vor den Verwaltungsgerichten anzufechten wäre (BVerwG NJW 1990, 2765). Dies...

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