Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gehört ebenso wie die Gegenvorstellung zu den im Gesetz nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen.
2. Die von jedermann zu erhebende Dienstaufsichtsbeschwerde ist grds. an keine Form und Frist gebunden.
3. Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist grds. gegen alle Maßnahmen/Anordnungen der StA zulässig. Bei polizeilichen Maßnahmen im EV kann mit der Dienstaufsichtsbeschwerde sowohl die eigentliche Sachbehandlung als auch das dienstliche Verhalten des Polizeibeamten gerügt werden. Im Kernbereich der richterlichen Tätigkeit sind Maßnahmen der Dienstaufsicht dagegen unzulässig.
4. Der Verteidiger sollte sich sorgfältig überlegen, ob er überhaupt eine Dienstaufsichtsbeschwerde einlegt, da eine solche u.U. nachteilige Auswirkungen auf das Gesprächsklima unter den Verfahrensbeteiligten haben kann. Jedenfalls sollte diese sachlich abgefasst und korrekt begründet sein.
 

Rdn 263

 

Literaturhinweise:

Bindel, Verhältnis Staatsanwaltschaft (StA) – Polizei, DRiZ 1994, 165

Dünnebier, Die Grenzen der Dienstaufsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft, JZ 1958, 417

Finck, Verhältnis der Anwaltschaft zur Richterschaft, DRiZ 1959, 14

Ostler, Richter und Rechtsanwalt. Betrachtungen, Wünsche und Forderungen im Interesse der Rechtspflege, DRiZ 1958, 61

Reinicke, Richter und Anwalt, DRiZ 1959, 310

Thode, Die Einstellungsbeschwerde im Strafverfahren, DRiZ 2007, 57.

 

Rdn 264

1. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gehört – ebenso wie die Gegenvorstellung (→ Gegenvorstellung, Allgemeines, Teil B Rdn 274) – zu den im Gesetz nicht geregelten formlosen Rechtsbehelfen. Sie ist eine Erscheinungsform des sich aus Art. 17 GG ergebenden Petitionsrechts (BVerwG NJW 1977, 118) und richtet sich an den die Dienstaufsicht führenden Vorgesetzten. Mit ihr kann sowohl das dienstliche Verhalten des Beamten (persönliche Dienstaufsichtsbeschwerde oder Dienstaufsichtsbeschwerde i.e.S.) als auch dessen Sachbehandlung (Sachaufsichtsbeschwerde) beanstandet werden (s.a. Burhoff, EV, Rn 1262 ff.; Dahs, Rn 1091 ff.; Dünnebier JZ 1958, 417 ff.; HK-Rautenberg, § 296 Rn 4; KK-Paul, vor § 296 Rn 4; KMR-Plöd, vor § 296 Rn 6; LR-Jesse, vor § 296 Rn 88; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 22; Radtke/Hohmann/Radtke, § 296 Rn 14; SSW-StPO/Hoch, vor § 296 Rn 48).

 

Rdn 265

2. Für das Verfahren gilt: Die von jedermann zu erhebende Dienstaufsichtsbeschwerde ist grds. an keine Form und Frist gebunden (statt vieler Burhoff, EV, Rn 1263). Sie wird in der Praxis gleichwohl schriftlich eingelegt und auch begründet (zum Inhalt s.u. Rdn 266). Zudem dürften Dienstaufsichtsbeschwerden – wie auch die Gegenvorstellung (→ Gegenvorstellung, Zulässigkeitsvoraussetzungen, Teil B Rdn 301) – bei grundlos verzögertem, unangemessenen Zeitablauf nach den Grundsätzen der Verwirkung unstatthaft sein (LR-Jesse, vor § 296 Rn 88; Radtke/Hohmann/Radtke, § 296 Rn 15). Auf die Dienstaufsichtsbeschwerde muss die zur Entscheidung zuständige Behörde einen Bescheid erlassen, aus dem zu erkennen sein muss, dass die Beschwerde geprüft und ob etwas veranlasst worden ist (vgl. BVerfG NJW 1953, 817 [zu Art. 17 GG]; Burhoff, a.a.O.; KMR-Plöd, vor § 296 Rn 6; LR-Jesse, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn 22; SSW-StPO/Hoch, vor § 296 Rn 48). Lediglich bei offensichtlich querulatorischen oder beleidigenden Dienstaufsichtsbeschwerden besteht keine Bescheidungspflicht (KMR-Plöd, vor § 296 Rn 8; Radtke/Hohmann/Radtke, a.a.O.; s. aber auch Rdn 273).

 

Rdn 266

3.a) Im Ermittlungsverfahren hat die Dienstaufsichtsbeschwerde ihr Hauptanwendungsgebiet bei den staatsanwaltlichen Anordnungen und denen der Polizei. Insoweit gilt:

 

Rdn 267

 

Maßnahmen der StA

Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist grds. gegen alle Maßnahmen/Anordnungen der StA zulässig. Da die StA gem. § 146 GVG weisungsgebunden ist, kann sich die Dienstaufsichtsbeschwerde sowohl gegen den sachlichen Inhalt als auch gegen die äußerliche Erledigung des Dienstgeschäfts richten (s. aber zu den Grenzen des Weisungsrechts Meyer-Goßner/Schmitt, § 146 GVG Rn 3 ff. m.w.N.).
Sie kann bei dem unmittelbaren Vorgesetzten des sachbearbeitenden StA und damit auch bei der GStA eingelegt werden. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn der Anzeigeerstatter gegen die Einstellung eines EV sowohl Einstellungsbeschwerde als auch Dienstaufsichtsbeschwerde erhebt (vgl. Burhoff, EV, Rn 1264; KMR-Plöd, vor § 296 Rn 6; Thode DRiZ 2007, 57 ff.). Gegen Entscheidungen des GStA (oder unmittelbar) kann sich der Betroffene wiederum an das Justizministerium wenden (§ 147 GVG). Eine weitere Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Bescheid des Justizministeriums dürfte demgegenüber nicht mehr möglich sein (vgl. HK-Rautenberg, a.a.O.; a.A. wohl Meyer-Goßner/Schmitt, § 172 Rn 18).
 

☆ Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist das einzige Rechtsmittel , das über die in § 147 Abs. 5 eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten hinaus bei Verweigerung der AE durch die StA gegeben ist (OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2005, 376; LG Neubrandenburg NStZ 2008, 655; Meyer-Goßner/Schmitt , § 147...

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