Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerstrafverfahren: Erstreckung des Akteneinsichtsrechts auf Betriebsprüfungsakten des Veranlagungsfinanzamts. Rechtsbehelf bei Verweigerung der Akteneinsicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 Abs. 1 StPO erstreckt sich im steuerstrafrechtlichen Verfahren auch auf die von der ermittelnden Steuerstrafsachen- und Steuerfahndungsstelle (SteuFa) beigezogenen Betriebsprüfungsakten des Veranlagungsfinanzamts. Diese wären bei Anklageerhebung zusammen mit den Ermittlungsakten nach § 199 Abs. 2 S. 2 StPO dem Gericht vorzulegen gewesen.

2. Verweigert die SteuFa nach Übernahme des weiteren Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft und erfolgter Anklageerhebung die Einsicht in die bei ihr als Beiakten zu ihren Vorgängen genommenen und dort verbliebenen Betriebsprüfungsakten, kann dies nur durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO (analog) zur Überprüfung durch das mit der Sache befasste Gericht gestellt werden. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist demgegenüber subsidiär und ein entsprechender Antrag zum Oberlandesgericht deshalb unzulässig (§ 23 Abs. 3 EGGVG).

 

Normenkette

AO § 385 Abs. 1; GVGEG § 23 Abs. 3, § § 23 ff.; StPO § 147 Abs. 1-2, 5 S. 2, §§ 162, 199 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers vom 24.04.2015 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.03.2015 - * - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 Euro zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Angeklagter in einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Umsatzsteuerhinterziehung und des Subventionsbetruges, das derzeit nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof erneut erstinstanzlich beim Landgericht Schwerin anhängig ist (32 KLs 16/14). Ihm wird u.a. zur Last gelegt, als damaliger Geschäftsführer der O. GmbH (ODS) im Jahre 2002 von der S. H. AG (SHT) 35 Produktionsanlagen für die Herstellung von CD's und DVD's gekauft zu haben. Weil es nachfolgend zu Verzögerungen bei der Bezahlung des Kaufpreises kam, wurde ein Teil der Kaufpreisschuld mit gegenläufigen Zahlungsansprüchen verrechnet. Dies wurde von der SHT steuerrechtlich als Preisnachlass ausgewiesen, weshalb das Unternehmen im Jahr 2004 beim zuständigen Finanzamt Mühlacker entsprechende Ansprüche auf Umsatzsteuerrückzahlung geltend machte. Die vom Antragsteller vertretene ODS behandelte die zu ihren Gunsten verrechneten Zahlungsansprüche demgegenüber steuerrechtlich als Schadenersatzleistungen wegen angeblicher Mangelfolgeschäden und nahm deshalb in der Umsatzsteuerjahresanmeldung für das Jahr 2003 keine Korrektur der im Jahr 2002 beim Finanzamt Wismar auf die Anschaffungskosten angemeldeten und ausgezahlten Vorsteuern vor.

Infolge umsatzsteuerrechtlicher Kontrollmitteilungen des Finanzamts Mühlacker an das Finanzamt Wismar führte letzteres im Jahr 2004 bei der ODS eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Betriebsprüfung) durch (USt-SP *). Wegen des sich daraus ergebenden Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung leitete die Steuerstrafsachen- und Steuerfahndungsstelle Mecklenburg-Vorpommern beim Finanzamt Schwerin (SteuFa) im Jahre 2004 ein entsprechendes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der ODS ein, das im Jahr 2005 von der Staatsanwaltschaft Schwerin übernommen und am 19.05.2008 zum Gegenstand der Anklage gegen den Antragsteller u.a. zum Landgericht Schwerin gemacht wurde.

Im ersten Hauptverfahren wurden die Akten des Finanzamts Wismar über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung weder beigezogen noch sonst zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht. Sie sind auch seither von der Staatsanwaltschaft und vom Landgericht Schwerin nicht herangezogen worden.

In Vorbereitung auf die neuerliche Hauptverhandlung hat deshalb der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, der zugleich dessen Verteidiger ist, mit Schreiben vom 19.11.2014 beim Finanzamt Wismar für seinen Mandanten Einsicht in die vollständigen Akten der Umsatzsteuer-Sonderprüfung * beantragt. Dieses Schreiben wurde vom Finanzamt Wismar an die SteuFa beim Finanzamt Schwerin weitergeleitet, weil sich die Betriebsprüfungsakten vollständig dort als Beiakten zu den Vorgängen des steuerstrafrechtlichen Verfahrens befänden.

Auf das Anschreiben des Verfahrensbevollmächtigten hat die SteuFa des Finanzamts Schwerin ihm bislang nur Einsicht in die Bände I und III der Betriebsprüfungsakten gewährt und ihm - zunächst unter Hinweis auf § 30 AO - mit Bescheid vom 18.12.2014 eine weitergehende Akteneinsicht versagt.

Weil sich aus den ihm überlassenen Aktenteilen nach Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten Hinweise darauf ergeben, dass sich auch in den restlichen Bänden II und IV der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakten verfahrensrelevante Schriftstücke befinden könnten, die zur Entlastung seines Mandanten beitragen könnten, hat er mit Schreiben vom 12.02.2015 mit entsprechender Begründung...

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