Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Rücknahmeerklärung muss inhaltlich eindeutig und zweifelsfrei sein.
2. Als Prozesshandlung ist die Rücknahmeerklärung ist nur in äußerst engen Grenzen i.S.d. §§ 119, 123 BGB ausnahmsweise anfechtbar oder generell widerruflich.
3. Bei der Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl besteht ein Unterschied.
 

Rdn 1661

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Rücknahme, Allgemeines, Teil A Rdn 1654.

 

Rdn 1662

1.a) Ebenso wie bei der Erklärung über die Einlegung des Rechtsmittels muss auch dessen Rücknahme inhaltlich eindeutig und zweifelsfrei, es muss ein Rücknahmewille (KG NStZ-RR 2010, 115) feststellbar sein.

 

Rdn 1663

b) Aus dem Grundsatz der formalen Akzessorietät folgt, dass die Rücknahmeerklärung in der Form der Rechtsmitteleinlegung zu erfolgen hat (Meyer-Goßner/Schmitt, § 302 Rn 7).

 

☆ Wer gegen ein Urteil des AG schriftlich Berufung eingelegt hat, kann aber sein Rechtsmittel in der HV wirksam zurücknehmen, wenn er die Rücknahme zu Protokoll (der Geschäftsstelle) erklärt.Rücknahme zu Protokoll (der Geschäftsstelle) erklärt.

 

Rdn 1664

c) Die Rücknahme des Rechtsmittels stellt eine prozessuale Bewirkungshandlung (Prozesshandlung) dar, die erhebliche Rechtsfolgen hat (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Rücknahme, Allgemeines, Teil A Rdn 1658). Sie ist darin sowohl vergleichbar mit dem Verzicht auf das Rechtsmittel (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Verzicht, Allgemeines, Teil A Rdn 1732 ff.) als auch mit dessen Beschränkung (vgl. → Berufung, Beschränkung, Teil A Rdn 227 ff.), weshalb die dort entwickelten Grundsätze auch auf die Rücknahme angewendet werden können.

 

Rdn 1665

Bezogen auf die Person des Angeklagten setzt der Verzicht prozessuale Handlungsfähigkeit (zur "Verhandlungsfähigkeit" Burhoff, HV, Rn 2878 f.) voraus.

 

☆ Wird der Verteidiger in einem derartigen Zweifelsfall erstmals nach erfolgter Rücknahmeerklärung eingeschaltet, ist das Rechtsmittel zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (→  Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag , Teil B Rdn  1485  ff.) einzulegen (OLG Jena NJW 2003, 3071).erstmals nach erfolgter Rücknahmeerklärung eingeschaltet, ist das Rechtsmittel zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag, Teil B Rdn 1485 ff.) einzulegen (OLG Jena NJW 2003, 3071).

 

Rdn 1666

2. Als Prozesshandlung ist die Rücknahmeerklärung nur in äußerst engen Grenzen i.S.d. §§ 119, 123 BGB ausnahmsweise anfechtbar oder generell widerruflich (BGH BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11; s. auch Burhoff, HV, Rn 652 [Berufungsrücknahme], Rn 2189 ff.). Anfechtbarkeit oder ein Recht zum Widerruf wird den Rechtsmittelführer nur dort zuerkannt, wo die sie auf eine Einflussnahme durch StA oder Gericht beruht, so in folgenden (vgl. i.Ü. auch Burhoff, HV, Rn 2199 f.; zum Parallelfall der "erschlichenen" Berufungsbeschränkung → Berufung, Beschränkung, Teil A Rdn 285 ff. m.w.N.)

 

Rdn 1667

 

Beispielsfällen

wenn das Gericht sie – erwiesenermaßen – mit unlauteren Mitteln herbeigeführt hat (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 307),
wenn im Rahmen der Verständigung die Enthaftung des Angeklagten zugesagt, aber dann nicht eingehalten wird (LG Freiburg, Urt. v. 16.3.2005 – 7 Ns 300 Js 130/04 AK 71/04),
wenn sie aufgrund einer – auch irrtümlich – objektiv unrichtigen Erklärung oder Auskunft des Gerichts beruht (BGHSt 46, 257),
wenn das Gericht unter Verletzung des Gebots des fairen Verfahrens eine Aufklärung des Angeklagten über den weiteren Fortgang des Verfahrens unterlässt und dadurch der Gefahr einer den Verteidigungsinteressen zuwiderlaufenden Rechtsmittelrücknahme nicht begegnet (BGH NStZ 2004, 636; vgl. auch LG Saarbrücken StraFo 1997, 309),
nicht die Gewährung von Haftverschonung nach Ankündigung einer Rechtsmittelrücknahme, da das keine unzulässige Drohung mit (rechtswidriger) Aufrechterhaltung der U-Haft darstellt, die den Verurteilten zu einer Rechtsmittelrücknahme nötigen könnte (BGH StraFo 2006, 244; vgl. auch OLG München StV 2007, 459).
 

☆ Insgesamt ist eine Einflussnahme zu verneinen , wenn der Rechtsmittelbefugte an die Rücknahme lediglich Erwartungen knüpft, die danach enttäuscht werden ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 302 Rn 22).Einflussnahme zu verneinen, wenn der Rechtsmittelbefugte an die Rücknahme lediglich Erwartungen knüpft, die danach enttäuscht werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 302 Rn 22).

 

Rdn 1668

3. Bei der Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl besteht ein Unterschied. Diese Rechtsbehelfsrücknahme führt nämlich nicht zu einem rechtsmittelfähigen Urteil, sondern nur zu einem diesem gleichstehenden (§ 410 Abs. 3) Strafanerkenntnis, das bei Rücknahme des Einspruchs wieder auflebt und Rechtskraft erlangt. "Ficht" der Angeklagte nach Einspruchsrücknahme diese an, ist sein Vorbringen als Antrag auf Fortführung des Strafverfahrens zu verstehen, auf den hin das AG dem Verfahren Fortgang zu geben und eine Entscheidung in der Sache zu treffen oder die Wirksamkeit der Ein...

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