Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Rechtsmittelverzicht ist Ausfluss der dem Verurteilten eingeräumten Dispositionsbefugnis. Er ist in § 302 geregelt.
2. Mit dem Eingang der – wirksamen – Verzichtserklärung bei Gericht tritt der Verlust des Rechtsmittels ein.
3. § 302 Abs. 1 S. 2 schließt nach einer Verständigung einen Rechtsmittelverzicht durch ausdrückliche Erklärung aus.
 

Rdn 1733

 

Literaturhinweise:

Beulke/Angerer, Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinanwalts an der Hauptverhandlung, NStZ 2002, 443

Burhoff, Verfahrenstipps und Hinweise für Strafverteidiger (III/2010), ZAP F. 22 R, S. 659

de Alquen/Daxhammer/Kudlich, Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts eines jugendlichen Angeklagten unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung?, StV 2006, 220

Eidam, Anmerkung zu BGH NStZ 2005, 279, StV 2005, 201

Erb, Überlegungen zum Rechtsmittelverzicht des Angeklagten unmittelbar nach der Urteilsverkündung, GA 2000, 511

Gössel, Anmerkung zu BGHSt 51, 275, JR 2008, 83

Grunst, Prozesshandlungen im Strafprozess, 2002

Koch, Zur Wirksamkeit eines absprachebedingten Rechtsmittelverzichts und deren Auswirkung im Hinblick auf die Wiedereinsetzung, HRRS 2005, 245

König, Anmerkung zu OLG München StV 2007, 459, 2007, 460

Kuhli, Die Anforderungen an die Ermächtigung zu Rechtsmittelrücknahme oder -verzicht gemäß § 302 II StPO. Zugleich Anmerkung zu KG (Schifffahrtsobergericht Berlin), Beschl. vom 19.1.2009 – 3 Ws 474/08, HRRS 2009, 290

F. Meyer, Willensmängel beim Rechtsmittelverzicht des Angeklagten im Strafverfahren. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Absprachenproblematik, 2003

Meyer-Goßner, Anmerkung zu OLG Celle NStZ-RR 2012, 20, StV 2012, 143

Peglau, Rechtsmittelverzicht durch unvereidigten Angeklagten im Falle notwendiger Verteidigung, NStZ 2002, 464

Rieß, Der vereinbarte Rechtsmittelverzicht in: Festschrift für Lutz Meyer-Goßner, 2001, S. 447

Rogall, Anmerkung zu OLG Hamburg NStZ 1997, 53, StV 1998, 643

Schnabl, Rechtsmittelverzicht und Anhörungsrüge, AnwBl 2008, 188

Staudinger, Verständigung und Rechtsmittelverzicht, HRRS 2010, 347

Weider, Rechtsmittelverzicht und Absprache in: Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70 Geburtstag am 2.5.2002, 2002, S. 773

s. auch die Hinw. Bei → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Allgemeines, Teil A Rdn 1289, m.w.N.

 

Rdn 1734

1. Der Rechtsmittelverzicht ist Ausfluss der dem Verurteilten eingeräumten Dispositionsbefugnis (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Befugnis, Teil A Rdn 1323 ff.). Jeder Adressat einer gegen ihn gerichteten, ihn beschwerenden Entscheidung hat nämlich die Wahl, die Entscheidung ihrem Inhalt nach hinzunehmen oder sie – in den Grenzen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten – anzufechten. Gesetzlich ausgeschlossen ist der Rechtsmittelverzicht nur in unmittelbarem Anschluss an ein Urteil, dem eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen ist (§ 302 Abs. 1 S. 2; s. Rdn 1737).

 

☆ Auch ein teilweiser Verzicht auf das Rechtsmittel ist grds. möglich (vgl. SK-StPO/ Frisch , § 302 Rn 7 ff.).teilweiser Verzicht auf das Rechtsmittel ist grds. möglich (vgl. SK-StPO/Frisch, § 302 Rn 7 ff.).

 

Rdn 1735

2. Mit dem Eingang der – wirksamen – Verzichtserklärung bei Gericht tritt der Verlust des Rechtsmittels ein (SK-StPO/Frisch, § 302 Rn 49); die anfechtbare Entscheidung wird rechtskräftig (s. zu den Auswirkungen auf die Haft: Burhoff, HV, Rn 2207). Der erklärte Rechtsmittelverzicht erstreckt sich auf alle Rechtsmittel (Rechtsbehelfe), die gegen die Entscheidung zulässig sind (Meyer-Goßner/Schmitt, § 302 Rn 17; Burhoff, HV, Rn 2206). Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht schließt auch jede Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BGH NStZ 1997, 611; 2006, 351).

 

Rdn 1736

 

Beispiel:

Der wegen eines Einfuhrverbrechens (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) Angeklagte wird nach sechsmonatiger U-Haft letztlich nur wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstands, den die Rauschgiftfahnder bei einer Durchsuchung der Wohnung aufgefunden hatten, zur Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Er habe, so das Urteil, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Verteidiger und Mandant sind über das Urteil so erleichtert, dass sie spontan Rechtsmittelverzicht erklären.

Zweifel, die dem Verteidiger später kommen mögen, sind begründet, denn der erklärte Rechtsmittelverzicht führt dazu, dass der Verurteilte die – falsche – Kosten- und Auslagenentscheidung nicht mehr anfechten kann (§ 464 Abs. 3), sondern auch zum Ausschluss einer Entschädigung für die überschießende U-Haft (§ 8 Abs. 3 StrEG).

 

Rdn 1737

3. Infolge der ihm eingeräumten Dispositionsbefugnis ist jeder Angeklagte auch berechtigt, auf die Anfechtung eines Urteils zu verzichten, das auf einer Verständigung beruht, was der Regelfall sein wird. § 302 Abs. 1 S. 2 schließt insoweit nur einen Verzicht durch ausdrückliche Erklärung und damit den darauf beruhenden (sofortigen) Eintritt der Rechtskraft aus: Der Angeklagte muss die Rechtsmitteleinlegungsfrist verstreichen lassen (krit. zu dieser Regelung u.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 302 Rn 26b ff.; Burhoff, H...

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