Das Wichtigste in Kürze:

1. I.d.R. unwirksam ist die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wenn bei bestimmten Straftaten essenzielle Feststellungen zum Tatgeschehen, zur Tatmotivation oder zur Tatbestandsverwirklichung fehlen.
2. Bei der sog. "Strafmaßberufung" lässt sich das Rechtsmittel nicht nur auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch, sondern auch – quasi in einer zweiten Stufe – auf einzelne Beschwerdepunkte innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs beschränken, sofern diese in keiner Wechselwirkung mit anderen, nicht angefochtenen Entscheidungsteilen stehen.
 

Rdn 251

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Berufung, Beschränkung, Allgemeines, Teil A Rdn 228.

 

Rdn 252

1.a) I.d.R. unwirksam ist die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wenn bei bestimmten Straftaten essenzielle Feststellungen zum Tatgeschehen, zur Tatmotivation oder zur Tatbestandsverwirklichung fehlen. Hinzuweisen ist auf folgende

 

Rdn 253

 

Rechtsprechungsbeispiele:

Bankrottstraftaten: Mangelnde Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit (OLG Köln StraFo 2006, 28),
Beleidigung: Vorgeschichte der Tat, Beweggründe und Ziele des Angeklagten (OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.10.2007 – 2 St OLG Ss 160/07),

Betäubungsmittelstraftaten:

Eigennützigkeit bei Handeltreiben (OLG Hamburg StV 2000, 608),
nicht geringe Menge (OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 117),
Tatmodalitäten (OLG Köln OLGSt § 11 BtMG S. 47),
Angabe der Zahl der Teilnehmer, bei Minderjährigen auch ihres Alters und ihrer Erfahrung mit Rauschgift, des konsumierten Rauschgifts, sowie der Mitteilung, ob Gelegenheit zum Rauschgiftkonsum geboten oder Rauschgift zur eigenständigen Verfügung abgegeben wurde (BayObLG NStZ-RR 2003, 310),
Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel im Allgemeinen (BayObLG StV 2001, 335; OLG München NStZ-RR 2011, 89; vgl. auch Kotz StRR 2007, 367 ff.),
Betrug: Täuschung und Irrtum (OLG Brandenburg v. 10.2.2010 – [1] 53 Ss 225/09 [1/10]; OLG Hamm, Beschl. v. 17.6.2014 – 2 RVs 17/14),
Diebstahl: Regelbeispiele des § 243 StGB (OLG Düsseldorf VRS 89, 218); Vorliegen eines Nachschlüsseldiebstahls (OLG Hamm NStZ-RR 2001, 300),
Fahren ohne Fahrerlaubnis: Fehlen der Fahrerlaubnis (KG VRS 115, 426), Gegebenheiten der Fahrt (OLG Bamberg DAR 2013, 585; OLG Koblenz NZV 2013, 411; OLG München StraFo 2008, 210; DAR 2008, 533; vgl, dazu jetzt OLG Nürnberg VRS 129, 147 [Vorlage an den BGH]),
Förderung der Prostitution: Zeitraum der Dauerstraftat (BayObLG v. 19.12.1994 – 3St RR 46/94);
Steuerhinterziehung: Fehlen der verkürzten Steuerbeträge (BayObLG NStZ 1999, 39);
Straßenverkehrsgefährdung: Falsches Fahren beim Überholvorgang (OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2009 – 1 Ss 98/08);
Trunkenheit im Verkehr: Alkoholaufnahme (BayObLG NZV 1999, 482; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 13.10.2003 – 2 Ss 228/03);
Unterhaltspflichtverletzung: Umfang der Unterhaltspflicht (BayObLG StV 2001, 348);
Unterschlagung: Individualisierung der Tatbeute (OLG Düsseldorf NStZ 1992, 298 [OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.1991 – 5 Ss 484/91 – 151/91 I]);
Vollrausch: Maß der Vorwerfbarkeit des Sich-Betrinkens (OLG Jena OLGSt StGB § 323a Nr. 5);
Vorenthalten von Arbeitsentgelt: Leistungsgrund der vom Arbeitgeber erbrachten Zahlungen (BayObLG NStZ-RR 1999, 142).
 

Rdn 254

b) Bei einer Verurteilung wegen der Verwirklichung von Regelbeispielen ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch möglich, wenn es sich – anders als bei doppelrelevanten Umständen (→ Berufung, Beschränkung, Beschränkbarkeit, Teil A Rdn 246) – um reine Strafzumessungsregeln handelt (OLG Köln NStZ-RR 2003, 298). Der Wirksamkeit der Beschränkung steht dabei nicht entgegen, dass sich das inkriminierte Verhalten den tatrichterlichen Feststellungen nur mittelbar entnehmen lässt (BayObLG NStZ-RR 2003, 209).

 

Rdn 255

2. Bei der sog. "Strafmaßberufung" lässt sich das Rechtsmittel nicht nur auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch, sondern auch – quasi in einer zweiten Stufe – auf einzelne Beschwerdepunkte innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs beschränken, sofern diese in keiner Wechselwirkung mit anderen, nicht angefochtenen Entscheidungsteilen stehen (LR-Gössel, § 318 Rn 86). Insoweit gilt:

 

Rdn 256

a) Unter den Voraussetzungen, dass das angefochtene Urteil für das Berufungsgericht eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bildet, kann das Rechtsmittel immer auf die Rüge beschränkt werden, die ausgeworfene Strafe sei zu hoch. Eine Beschränkung auf Einzelaspekte wie strafverschärfende Verwertung festgestellter Umstände oder der Anwendbarkeit von § 47 Abs. 1 StGB ist nicht möglich (LR-Gössel, § 318 Rn 92 m.w.N.).

 

Rdn 257

b) Die Anfechtung der Strafhöhe wird sich regelmäßig auf die Gesamt(freiheits)strafe erstrecken (BGH wistra 1999, 99), was auch rechtlich möglich ist, weil § 54 Abs. 1 S. 3 StGB eigene, über § 46 StGB hinausgehende Bewertungsgrundsätze enthält, sodass die Gesamtstrafenbildung grds. einen gesonderten Strafzumessungsvorgang erfordert. Sie ist wirksam, wenn bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht auf die zur Festsetzung der ...

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