Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung sind in § 56f Abs. 1 S. 1 StGB abschließend aufgezählt.
2. Das Vorliegen eines Widerrufsgrunds muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Ist dies der Fall, und steht im Einzelfall nicht § 56f Abs. 2 StGB entgegen, ist der Widerruf zwingend.
3. Sobald das Vorliegen eines Widerrufsgrundes feststeht, ist das Gericht verpflichtet, die Entscheidung über den Widerruf zu treffen. Ein Zuwarten ist grundsätzlich nicht zulässig
4. Der Widerruf kann auch noch nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgen.
5. Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf ist das Gericht des 1. Rechtszuges.
6. Das Verfahren richtet sich nach § 453 Abs. 1. Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte sind zu hören.
7. Ist der Verurteilte der Aufsicht und Leistung eines Bewährungshelfers unterstellt, so ist dieser gem. § 453 Abs. 1 S. 4 zu unterrichten, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung in Betracht kommt.
8. Statthaftes Rechtsmittel gegen den Beschluss über den Widerruf der Strafaussetzung ist die sofortige Beschwerde.
 

Rdn 290

 

Literaturhinweise:

Arnoldi, Bewährungswiderruf und Zeitablauf, StRR 2008, 84

Bohlander, Widerruf früherer Strafaussetzung durch das erkennende Gericht – Eine Anregung zur Verfahrensbeschleunigung, NStZ 1999, 493

Boetticher, Zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, NStZ 1991, 1

Doleisch von Dolsperg, Strafaussetzung zur Bewährung – Probleme aus der Praxis, StraFo 2005, 45

Frank, Strafaussetzung zur Bewährung – Widerruf und Mindestverbüßungsdauer, NJW 1981, 1341

Hillenbrand, Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung: Voraussetzungen und Verfahren, ZAP F.22, 799

Lembert, Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über einen Bewährungswiderruf, NJW 2001, 3528

s.a. die Hinweise in → Bewährung, Allgemeines, Teil A Rdn 2.

 

Rdn 291

1. Die Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung sind in § 56f Abs. 1 S. 1 StGB abschließend aufgezählt (zum Widerruf nach dem JGG → Teil A: Bewährung, Jugendliche, Widerruf der Bewährung Rdn143).

 

Rdn 292

Der Widerruf erfolgt, wenn der Verurteilte

1. in der Bewährungszeit oder in dem der Bewährungszeit gem. § 56f Abs. 1 S. StGB gleichgestellten Zeitraum eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat (→ Bewährung, Widerruf, neuerliche Straffälligkeit, Teil A Rdn 337),
2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird (→ Bewährung, Widerruf, Weisungsverstoß, Teil A Rdn 408), oder
3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt (→ Bewährung, Widerruf, Auflagenverstoß, Teil A Rdn 326).
 

Rdn 293

2. Das Vorliegen eines Widerrufsgrunds muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Ist dies der Fall, und kommen auch mildere Maßnahmen gem. § 56f Abs. 2 StGB nicht in Betracht, ist der Widerruf zwingend. Das Gericht hat insoweit keinen Spielraum, und es erfolgt auch keine weitere allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung (Fischer, § 56f Rn 14a).

 

☆ Es ist deshalb nicht vertretbar , den Widerruf der Strafaussetzung bei sog. Bagatelltaten generell für unverhältnismäßig zu erklären oder vom Widerruf deshalb abzusehen, weil die Verlängerungsmöglichkeiten des § 56f Abs. 2 Nr. 2 StGB ausgeschöpft sind ( Lackner/Kühl , § 56f Rn 2). Der Verurteilte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er, etwa wegen bereits erfolgter Widerrufsentscheidungen, in anderen Verfahren langfristige Haftaufenthalte zu erwarten hat (OLG Oldenburg NStZ-RR 2006, 189; Fischer , § 56f Rn 14a; SSW-StGB/ Mosbacher , § 56f Rn 27).nicht vertretbar, den Widerruf der Strafaussetzung bei sog. Bagatelltaten generell für unverhältnismäßig zu erklären oder vom Widerruf deshalb abzusehen, weil die Verlängerungsmöglichkeiten des § 56f Abs. 2 Nr. 2 StGB ausgeschöpft sind (Lackner/Kühl, § 56f Rn 2). Der Verurteilte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er, etwa wegen bereits erfolgter Widerrufsentscheidungen, in anderen Verfahren langfristige Haftaufenthalte zu erwarten hat (OLG Oldenburg NStZ-RR 2006, 189; Fischer, § 56f Rn 14a; SSW-StGB/Mosbacher, § 56f Rn 27).

 

Rdn 294

3.a) Sobald das Vorliegen eines Widerrufsgrundes feststeht, ist das Gericht verpflichtet, die Entscheidung über den Widerruf zu treffen. Ein Zuwarten ist grundsätzlich nicht zulässig (OLG Oldenburg StV 2010, 312). Allerdings soll allein der Umstand, dass das Gericht bereits längere Zeit von einem Fehlverhalten des Verurteilten Kenntnis hatte und dennoch bis kurz vor Ablauf der Bewährungszeit mit seiner Entscheidung zuwartet, dem Widerruf nicht entgegenstehen (KG NJW 2003, 2468).

 

Rdn 295

b) Nicht nur bloßes Zuwarten, sondern auch eine "Aussetzung" der Entscheidung über einen von der Staatsanwaltschaft gestellten Widerrufsantrag durch Beschluss ist un...

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