Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte gröblich oder beharrlich gegen Weisungen verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird.
2. Der gröbliche und/oder beharrliche Weisungsverstoß alleine führt noch nicht zum Widerruf der Strafaussetzung. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Verstoß zu einer neuen, negativen Kriminalprognose führt, die der Strafaussetzung zugrunde liegende positive Prognose also der Korrektur bedarf.
3. Das Gericht muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Verhaltens des Verurteilten während der Bewährungszeit konkret darlegen, dass objektivierbare Anhaltspunkte vorliegen, die die Befürchtung rechtfertigen, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen.
 

Rdn 409

 

Literaturhinweise:

Boetticher, Zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, NStZ 1991, 1

Doleisch von Dolsperg, Strafaussetzung zur Bewährung – Probleme aus der Praxis, StraFo 2005, 45

Hillenbrand, Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung: Voraussetzungen und Verfahren, ZAP F.22, 799

s. auch die Hinw. in → Bewährung, Widerruf, Allgemeines, Teil A Rdn 2; → Bewährung, Weisungen, Teil A Rdn 244.

 

Rdn 410

1.a) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte gröblich oder beharrlich gegen Weisungen verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB).

 

☆ Bevor die Qualität des vermeintlichen Verstoßes geprüft wird, muss zunächst die Weisung selbst in den Blick genommen werden. Deren Rechtmäßigkeit ist nämlich erste Voraussetzung für den Widerruf. Zuwiderhandlungen gegen unzulässige Auflagen oder Weisungen rechtfertigen den Widerruf der Strafaussetzung nicht, und zwar unabhängig davon, ob sich der Verurteilte im Widerrufsverfahren auf die Rechtswidrigkeit der Anordnung beruft oder nicht (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 199).erste Voraussetzung für den Widerruf. Zuwiderhandlungen gegen unzulässige Auflagen oder Weisungen rechtfertigen den Widerruf der Strafaussetzung nicht, und zwar unabhängig davon, ob sich der Verurteilte im Widerrufsverfahren auf die Rechtswidrigkeit der Anordnung beruft oder nicht (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 199).

 

Rdn 411

b) Ein gröblicher Verstoß liegt vor, wenn der Verurteilte der Weisung schuldhaft in nicht unerheblichem Umfang zuwiderhandelt. Der Verstoß muss objektiv und subjektiv schwerwiegend sein, bloße Formalverstöße sind genügen nicht (Fischer, § 56f Rn 10a).

 

☆ Bei Straftätern mit Suchtproblematik sind häufig Weisungen anzutreffen, wonach sich der Verurteilte des Konsums von Alkohol und/oder Betäubungsmitteln zu enthalten habe. Solche Weisungen sind zwar grundsätzlich zulässig (→  Bewährung, Weisungen , Teil A Rdn  273 ), im Widerrufsverfahren ist dann aber die Frage der Schuldhaftigkeit eines Verstoßes besonders sorgfältig zu prüfen. Bei einer Suchterkrankung ist ein Rückfall häufig nicht Ausdruck von Gleichgültigkeit gegenüber der Weisung, sondern Krankheitsfolge . Kann der Verurteilte aber aufgrund seiner Erkrankung seinen Alkoholkonsum nicht steuern , fehlt es in Ermangelung schuldhaften Verhaltens an einem gröblichen Verstoß (OLG Hamm NStZ-RR 2008, 220).Suchtproblematik sind häufig Weisungen anzutreffen, wonach sich der Verurteilte des Konsums von Alkohol und/oder Betäubungsmitteln zu enthalten habe. Solche Weisungen sind zwar grundsätzlich zulässig (→ Bewährung, Weisungen, Teil A Rdn 273), im Widerrufsverfahren ist dann aber die Frage der Schuldhaftigkeit eines Verstoßes besonders sorgfältig zu prüfen. Bei einer Suchterkrankung ist ein Rückfall häufig nicht Ausdruck von Gleichgültigkeit gegenüber der Weisung, sondern Krankheitsfolge. Kann der Verurteilte aber aufgrund seiner Erkrankung seinen Alkoholkonsum nicht steuern, fehlt es in Ermangelung schuldhaften Verhaltens an einem gröblichen Verstoß (OLG Hamm NStZ-RR 2008, 220).

 

Rdn 412

c) Beharrlich ist der Verstoß, wenn er sich durch eine besondere Hartnäckigkeit auszeichnet und hierdurch eine gesteigerte Gleichgültigkeit des Verurteilten belegt, die zugleich die Gefahr weiterer Verstöße indiziert. Eine vorherige Abmahnung bringt zwar Nachweiserleichterungen mit sich, zwingend erforderlich ist sie aber nicht (SSW-StGB/Mosbacher, § 56f Rn 19).

 

Rdn 413

d) Wird die Einwilligung in eine Weisung gem. § 56c Abs. 3 StGB nach der Entscheidung über die Strafaussetzung, zurückgenommen, so macht dies die Weisung nicht nachträglich unzulässig, und die Rücknahme der Einwilligung rechtfertigt auch nicht ohne weiteres die Annahme eines gröblichen Verstoßes (BGH NJW 1986, 1556; Fischer, § 56c Rn 11). Hat sich der Verurteilte aber die Strafaussetzung erschlichen, indem er ein tatsächlich nicht vorhandenes Einverständnis im Erkenntnisverfahren nur vorgespiegelt hat, kann dies den Widerruf rechtfertigen (Fischer, § 56f Rn 10b; → Bewährung, Weisungen, Te...

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