Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.
2. Als Widerrufsgrund kommt jede Straftat von einigem Gewicht in Betracht.
3. Unter Bewährungszeit ist der Zeitraum zwischen der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung und dem Ende der Bewährungszeit zu verstehen.
4. Auch im Ausland begangene Taten sind geeignet, die bei der Strafaussetzung angenommene günstige Legalprognose zu erschüttern.
5. Ob der neuen Tat einiges Gewicht beizumessen ist, bestimmt sich nicht nur anhand des Ausmaßes des verwirklichten neuerlichen Unrechts oder anhand der verhängten Rechtsfolge. Auch der strafrechtlichen Vorbelastung des Verurteilten und der Einschlägigkeit der neuen Tat kann maßgebliche Bedeutung zukommen.
6. Auch Fahrlässigkeitsdelikte können zum Widerruf führen, sofern sie mit den Taten, die der Strafaussetzung zugrunde lagen, in einem inneren Zusammenhang stehen.
7. Die neuerliche Straftat und deren schuldhafte Begehung müssen zur Überzeugung des Gerichts feststehen.
8. Der Widerruf dient nicht der Ahndung der neuen Straftat. Er ist keine "zweite Strafe", sondern dient der Berichtigung der ursprünglichen, positiven Prognose, sofern sich diese im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hat.
9. Für die zu treffende Prognoseentscheidung ist zunächst insbesondere von Bedeutung, mit welcher Sanktion die Anlasstat geahndet wurde.
10. Bei der Prognoseentscheidung ist immer auch die zwischen der Anlasstat und dem Entscheidungszeitpunkt im Widerrufsverfahren eingetretene Entwicklung zu beachten.
 

Rdn 338

 

Literaturhinweise:

Boetticher, Zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, NStZ 1991, 1

Doleisch von Dolsperg, Strafaussetzung zur Bewährung – Probleme aus der Praxis, StraFo 2005, 45

Hillenbrand, Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung: Voraussetzungen und Verfahren, ZAP F.22, 799

Krawczyk, Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat, StRR 2010, 451

Krumm, Bewährungswiderruf trotz Unschuldsvermutung, NJW 2005, 1832

Lembert, Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über einen Bewährungswiderruf, NJW 2001, 3528

Neubacher, Der Bewährungswiderruf wegen einer neuen Straftat und die Unschuldsvermutung, GA 2004, 402

Ostendorf, Unschuldsvermutung und Bewährungswiderruf, StV 1990, 230

ders., Bewährungswiderruf bei eingestandenen, aber nicht rechtskräftig verurteilten neuen Straftaten?, StV 1992, 288

Peglau, Unschuldsvermutung und Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, ZRP 2003, 242

ders., Bewährungswiderruf und Unschuldsvermutung, NStZ 2004, 248

Seher, Bewährungswiderruf wegen Begehung einer neuen Straftat, ZStW 118 (2006), 101

Seifert, § 56 I Nr. 1 StGB – Der Bewährungswiderruf infolge einer neuerlichen Straftat in der Praxis, Jura 2008, 684

Stree, Probleme des Widerrufs einer Strafaussetzung wegen einer Straftat, NStZ 1992, 153.

 

Rdn 339

1. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftatbegehtund dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Bei mehraktigen Taten reicht es aus, wenn ein Teilakt in die Bewährungszeit fällt (Fischer, § 56f Rn 2).

 

Rdn 340

2. Als Widerrufsgrund kommt jede Straftat von einigem Gewicht in Betracht. Eine kriminologische Vergleichbarkeit zwischen der früheren und der neuen Tat ist nicht erforderlich (KG, Beschl. v. 23.6.2006 – 5 Ws 215/06; Fischer, § 56f Rn 8a; Lackner/Kühl, § 56f Rn 4).

 

☆ Das in vielen Schriftsätzen vorzufindende Argument, die Rückfalltat sei nicht einschlägiger Natur, verspricht daher ohne das Hinzutreten weiterer für den Verurteilten sprechender Umstände keinen Erfolg, insbesondere wenn die neue Tat schwerer wiegt als die der früheren Tat zugrundeliegende Verfehlung.schwerer wiegt als die der früheren Tat zugrundeliegende Verfehlung.

 

Rdn 341

3.a) Unter Bewährungszeit ist der Zeitraum zwischen der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung und dem Ende der Bewährungszeit zu verstehen (LK-Hubrach, § 56f Rn 3; → Bewährung, Bewährungszeit, Teil A Rdn 72). Dem gleichgestellt ist gem. § 56f Abs. 1 S. 2 StGB der Fall, in dem die neue Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft, also noch vor dem eigentlichen Beginn der Bewährungszeit, begangen wird.

 

Rdn 342

b) § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt ferner auch dann entsprechend, wenn im Falle der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe, in welche eine zur Bewährung ausgesetzte frühere Strafe einbezogen wurde, eine neue Tat in der Zeit zwischen der früheren Aussetzungsentscheidung und der Rechtskraft der Gesamtstrafenentscheidung begangen wird (hierzu Fischer, § 56f Rn 3c).

 

Rdn 343

4. Auch im Ausland begangene Taten sind geeignet, die bei der Strafaussetzung angenommene günstige Legalprognose zu erschüttern (Lackner/Kühl, § 56f StGB, Rn 4). Der Widerruf set...

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