Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausabrechnung. Vergütungsstreit um Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c SGB 5. MDK. kein weiteres Prüfregime ("Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit") neben der "Auffälligkeitsprüfung" nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5. Verstoß gegen den Gesetzesbindungsgrundsatz. Prozesszinsen. anzuwendende Zinsvorschrift

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Aufwandspauschale ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der durchgeführten Prüfung nicht um eine "Auffälligkeitsprüfung", sondern um eine "Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit" gehandelt haben könnte (entgegen BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4, RdNr 23; BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 13/14 R = SozR 4-5560 § 17b Nr 6, RdNr 23; Fortführung von SG Mainz vom 4.5.2015 - S 3 KR 428/14, RdNr 22ff; Anschluss an SG Dortmund vom 22.6.2015 - S 40 KR 867/13, RdNr 2; SG Speyer vom 28.7.2015 - S 19 KR 588/14, RdNr 43ff; SG Darmstadt vom 7.12.2015 - S 8 KR 434/14, RdNr 77ff; SG Osnabrück vom 10.12.2015 - S 34 KR 238/15, RdNr 20ff; SG Detmold vom 4.2.2016 - S 24 KR 380/15, RdNr 27ff; SG Rostock vom 2.3.2016 - S 15 KR 406/13, RdNr 34).

2. Für die Annahme des 1. Senats des BSG, dass es neben dem Verfahren nach § 275 Abs 1c SGB V iVm § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V (vom BSG ungenau "Auffälligkeitsprüfung" genannt) ein weiteres Prüfregime ("Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit") für Abrechnungsfragen bei Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V unter Einschaltung des MDK gebe, welches nicht den Beschränkungen und Rechtsfolgen des § 275 Abs 1c SGB V unterliege, fehlt eine gesetzliche Grundlage. Die Auffassung des BSG ist mit Gesetzeswortlaut und -systematik nicht zu vereinbaren und verstößt daher - unter Berücksichtigung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts - gegen den Grundsatz der Bindung an das Gesetz (Art 20 Abs 3 und Art 97 Abs 1 Grundgesetz - GG -).

3. Die Zinsvorschrift aus § 9 Abs 7 des Vertrages nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eV und den Landesverbänden der Krankenkassen (KBV-RP) (zwei Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) ist für Prozesszinsen nicht einschlägig. Das Krankenhaus kann daher ab Rechtshängigkeit Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangen (Fortführung von SG Mainz vom 4.5.2015 - S 3 KR 618/13, RdNr 58).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 300 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 18.11.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 300 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Aufwandspauschale.

Die Klägerin ist gemeinnützige Trägerin des … Krankenhauses ....

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin Frau … (im Folgenden: Versicherte) befand sich vom 14.07.2014 bis zum 22.07.2014 im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung.

Die Klägerin stellte der Beklagten die Behandlungskosten unter dem 24.07.2014 in Höhe von 4.821,70 Euro auf Grundlage der DRG B70E (Apoplexie ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, ohne andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, ohne komplexen zerebrovaskulären Vasospasmus, mit komplizierender Diagnose oder systemischer Thrombolyse) in Rechnung.

Die Beklagte zahlte die Rechnung, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz mit der Prüfung der Abrechnung. Prüfgrund war die Frage, ob die Nebendiagnosen korrekt kodiert wurden. Die vom Krankenhaus übermittelten Nebendiagnosen seien in Bezug auf die gemeldeten Prozeduren im Behandlungsfall nicht nachvollziehbar.

Die Begutachtung fand im Rahmen einer Begehung im Krankenhaus am 30.10.2014 statt. Der MDK kam in seinem Gutachten durch die Ärztin im MDK Frau Dr. … zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnosen korrekt seien. Hierzu bestehe nach Erörterung fachliche Übereinstimmung mit dem Krankenhaus.

Die Klägerin stellte der Beklagten unter dem 04.11.2014 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro in Rechnung.

Die Beklagte zahlte die Aufwandspauschale zunächst, nahm jedoch am 24.09.2015 eine Verrechnung der Aufwandspauschale mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin mit Rechnungsdaten vom 23.08.2015, 03.09.2015 und 11.09.2015 vor. Zur Begründung verwies sie in einem Schreiben an die Klägerin vom 17.09.2015 auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R) und vom 14.10.2014 (B 1 KR 26/13 R). Danach könne eine Aufwandspauschale nur im Rahmen von Auffälligkeitsprüfungen gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anfallen. Werde eine Abrechnung auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit hin überprüft, namentlich auf die Einhaltung der Abrechnungsvorschriften, falle keine Aufwandspauschale an.

Die Klägerin hat am 18.11.2015 Kla...

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