Entscheidungsstichwort (Thema)

(Krankenversicherung. Krankenhaus. Krankenhausbehandlung. Prüfverfahren durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Anspruch auf Aufwandspauschale für jeden überprüften Abrechnungsfall auch bei Prüfungen mit dem Ziel der Fallzusammenführung. keine "Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit" unter Vorlage von Behandlungsunterlagen an den MDK. Unzulässigkeit der Schaffung eines eigenen "Prüfregimes". Fälligkeit für Verzinsung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mehr als eine Aufwandspauschale pro Prüfung fällt nicht an, solange der Prüfung derselbe Abrechnungsfall zu Grunde liegt (Fortführung von SG Speyer vom 18.6.2014 - S 19 KR 229/12 Rn 30f). Auch wenn die Krankenkasse einen weiteren Prüfauftrag erteilt, handelt es sich noch um die (unter den Voraussetzungen des § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 zulässige) Prüfung derselben Abrechnung. Auch das Ergebnis der Abrechnungsminderung oder aber das Fehlen einer solchen tritt nur einmal ein, nämlich am Ende der Prüfung (entgegen BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 15 und BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 23/14 R = SozR 4-2500 § 73b Nr 1Rn 15). Auch wenn mehrere Abrechnungsfälle mit dem Ziel der Fallzusammenführung überprüft wurden, fallen bei jeweils unterbliebener Rechnungsminderung mehrere Aufwandspauschalen an (so bereits LSG Hamburg vom 21.11.2013 - L 1 KR 125/12 und L 1 KR 28/13). Auf die Anzahl und Ausgestaltung der Prüfaufträge der Krankenkasse gegenüber dem MDK kommt es nicht an (entgegen BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R = aaO und BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 23/14 R = aaO und B 1 KR 17/14 R).

2. In Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage kann es eine - rechtlich zulässige - "Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit", in deren Rahmen die Vorlage von Behandlungsunterlagen an den MDK gefordert wird, die aber nicht den Beschränkungen und Rechtsfolgen des § 275 Abs 1c SGB 5 unterliegen soll (vgl BSG vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 4), schon aus Gründen des Patientendatenschutzes nicht geben (so auch SG Mainz vom 4.5.2015 - S 3 KR 428/14 Rn 22ff). Da es mit § 275 Abs 1c SGB 5 iVm § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 eine einschlägige gesetzliche Regelung für ein Verfahren zur Überprüfung von Krankenhausabrechnungen durch die Krankenkassen gibt (vom BSG sog "Auffälligkeitsprüfung"), verstößt der 1. Senat des BSG mit der Schaffung eines eigenen "Prüfregimes" der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht nur gegen den Grundsatz der Bindung an das Gesetz (Art 20 Abs 3 und Art 97 Abs 1 GG), sondern zugleich auch gegen das hiervon getragene Gewaltenteilungsprinzip. Gegenstand einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB 5 können sowohl Fragen der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der erfolgten Behandlung als auch der zutreffenden Kodierung sein.

3. Der Anspruch auf Aufwandspauschale wird fällig, sobald entweder durch die Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus angezeigt wird, dass die Abrechnung in Folge der Prüfung im Ergebnis endgültig nicht beanstandet wird oder aber wenn die Abrechnung durch ein rechtskräftiges Urteil - auch im Falle der Rechtskrafterstreckung auf die aufgerechnete Forderung nach § 141 Abs 2 SGG - als zutreffend bestätigt wird.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.05.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

3. Der Streitwert wird auf 1.200 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von zwei Aufwandspauschalen hat, nachdem die Beklagte zwei stationäre Krankenhausbehandlungen auf die Möglichkeit der Fallzusammenführung hin überprüft hat.

Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zugelassenen Klinikums der Stadt L… am Rhein. In dem Krankenhaus wurde in der Zeit vom 06.01.2010 bis zum 15.01.2010 und vom 21.01.2010 bis 28.01.2010 der bei der Beklagten versicherte P… W… (im Folgenden: Versicherter) stationär behandelt.

Der 1927 geborene Versicherte wurde am 06.01.2010 wegen Husten und Auswurf stationär aufgenommen. Die Klägerin meldete der Beklagten als Aufnahmediagnose C34.9 des ICD-10 German Version 2010 (im Folgenden: ICD-10; Bösartige Neubildung: Bronchus oder Lunge, nicht näher bezeichnet). Es wurden Untersuchungen auf Grund des Verdachts auf ein Bronchialkarzinom durchgeführt. Trotz ausgedehnter Diagnostik inklusive PET (Positronen-Elektronen-Tomographie) konnte der Verdacht zunächst histologisch nicht gesichert werden. Am 15.01.2010 wurde der Versicherte entlassen, wobei eine Wiederaufnahme am 22.01.2010 zur Mediastinoskopie (endoskopische Operationsmethode zur Exploration des Mittelfellraumes) beabsichtigt war.

Vom 21.01.2010 bis 28.01.2010 wurde der Versicherte nochmals zur chirurgisch histologischen Sicherung der Verdachtsdiagnose stationär aufgenommen. ...

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