Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Überprüfung mehrerer Krankenhausabrechnungen durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Vermutung eines einheitlich, zusammenführenden Falls. Modifizierung der 6-Wochen-Frist bei Fallzusammenführung

 

Orientierungssatz

1. Eine Krankenkasse, die bei zwei Abrechnungen vermutet, dass es sich bei den zugrunde liegenden Krankenhausaufenthalten in Wahrheit um einen einheitlichen, zusammenzuführenden Fall handelt, hat ausgehend von der Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit grundsätzlich beide Abrechnungen überprüfen zu lassen. Sie kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, sie könne die erste Abrechnung nicht angreifen, weil die Prüfung der Abrechnung nicht zu einer Reduzierung des Abrechnungsbetrages führen könne.

2. In den besonderen Fällen der Fallzusammenführung ist davon auszugehen, dass mit dem Auftrag zur Überprüfung der Abrechnung mit dem Argument, dass der der Abrechnung zugrunde liegende Krankenhausaufenthalt mit einem vorherigen Aufenthalt zusammenzuführen sei, automatisch auch die den vorherigen Aufenthalt betreffende Abrechnung angegriffen ist.

3. Die 6-Wochen-Frist ist dahingehend zu modifizieren, dass sie für die Frage der Fallzusammenführung - und nur für diese - erst mit der Übermittlung der zweiten Abrechnung zu laufen beginnt, also parallel mit der für die zweite Abrechnung geltenden Frist läuft. Dabei ist auch zu beachten, dass diese Fälle nur dann entstehen, wenn das Krankenhaus trotz zeitlich unmittelbaren Zusammenhangs von 2 Aufenthalten, diese mit zeitlich großem Abstand abrechnet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.06.2015; Aktenzeichen B 1 KR 17/14 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts verurteilt, an die Klägerin 100,- EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % p.a. seit dem 7. August 2008 sowie weitere 46,41 Euro zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine weitere Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR zu zahlen.

Die Klägerin betreibt das zugelassene A.-Klinikum B .. Ein bei der der Beklagten gesetzlich Krankenversicherter wurde am 17. September 2007 im Rahmen einer Notfallaufnahme vollstationär im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Die Entlassung erfolgte am 20. September 2007. Die Rechnung für diese Behandlung ging unter der Aufnahmenummer 1610362128 am 22. Oktober 2007 bei der Beklagten ein.

Am 24. September 2007 wurde der Versicherte erneut vollstationär aufgenommen und am 10. Oktober 2007 entlassen. Die hierfür erteilte Rechnung ging unter der Aufnahmenummer am 26. Oktober 2007 bei der Beklagten ein.

Mit Prüfauftrag vom 7. November 2007 wandte sich die Beklagte an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit folgenden Fragen: "Handelt es sich in diesem Fall um ein unzulässiges ("rechnungsoptimierendes") Fallsplitting? Handelt es sich um einen durchgehenden Behandlungsfall mit zwischenzeitlicher Beurlaubung? Falls Chemo-/Strahlentherapie: Handelte es sich tatsächlich um einzelne abgeschlossene Behandlungen, die durch reguläre Entlassungen beendet wurden?" In dem Prüfauftrag war nur die Aufnahmenummer des zweiten Aufenthaltes angegeben.

Die vom MDK gegenüber dem Krankenhaus erfolgte Anzeige eines Prüfungsauftrages ging am 23. November 2007 bei der Klägerin ein. Sie wies in Maschinenschrift die Bezeichnung nur des zweiten Aufenthaltes vom 24. September bis 10. Oktober 2007 mit der Aufnahmenummer aus. Handschriftlich wurde dieser Angabe eine "II" vorangestellt und darüber hinzugefügt "I 17.-20.9.2007 1610362128". Die Patientenakte wurde dem MDK nicht übersandt, da eine Fallbesprechung im Krankenhaus erfolgen sollte.

In seinem Gutachten vom 13. Februar 2008 befürwortete der MDK die abgerechnete DRG. Es habe sich nicht um eine Behandlung mit zwischenzeitlicher Beurlaubung gehandelt. Beide Behandlungsfälle seien nicht zusammenzuführen. Die Klägerin stellte der Beklagten eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR je Aufenthalt in Rechnung. Darauf überwies die Beklagte eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR an die Klägerin.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Zahlung einer weiteren Aufwandspauschale ab. Auch wenn der MDK im Rahmen seiner Prüfung weitere Krankenhausaufenthalte betrachte und hierzu gegebenenfalls Unterlagen anfordere, sei letztendlich der Prüfauftrag entscheidend, ob eine oder zwei Aufwandspauschalen zu zahlen seien.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 bekräftigte die Klägerin ihr Verlangen nach Erstattung einer zweiten Aufwandspauschale. Entscheidend sei gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), ob die Prüfung durch den MDK zu einer Minderung des Anspruchsbetrages führe oder nicht. Sei dies nicht der Fall, so müsse die Beklagte die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V unabhängig davon entrichten, ob im Rahmen der...

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