Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechsel des Kostenschuldners nach Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung

 

Orientierungssatz

1. Durch die Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung wurden die staatlichen Versorgungsämter aufgelöst und die von ihnen wahrgenommenen Aufgaben den Kreisen und kreisfreien Städten übertragen. Dadurch ist auch die Kostenschuldnerschaft für ein bereits abgeschlossenes gerichtliches Verfahren auf die kommunalen Träger übergegangen, ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen Regelung zum Übergang der Kostenlast bedarf.

2. Geht die Zuständigkeit für die Aufgabenwahrnehmung im Rahmen einer Funktionsnachfolge auf einen neuen Träger über, so schlägt dies auf die Kostenlast für das abgeschlossene Verfahren durch. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist Annex des Klageverfahrens. Eine zwischenzeitliche Funktionsnachfolge führt daher auch zu einem Beteiligtenwechsel im Kostenverfahren.

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Beklagten vom 11.07.2008 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 12.06.2008 geändert. Kostenschuldner ist der Kreis Aachen.

 

Gründe

I.

Streitig ist, wer richtiger Kostenschuldner ist.

In dem zugrunde liegenden Verfahren verklagte der Kläger das Land Nordrhein-Westfalen als damaligen Träger der Versorgungsverwaltung (vertreten durch die Bezirksregierung Münster) auf die Feststellung eines höheren GdB. Am 03.12.2007 schlossen der Kläger und das Land Nordrhein-Westfalen einen prozessbeendenden Vergleich, wonach "der Beklagte" die Kosten des Verfahrens zu einem Drittel tragen sollte.

Mit Gesetz vom 30.10.2007 löste das Land Nordrhein-Westfalen die Versorgungsämter mit Wirkung zum 01.01.2008 auf und übertrug die von diesen bis dahin wahrgenommenen Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX den Kreisen und kreisfreien Städten. Mit Vereinbarung vom 10.12.2007 übertrug die Stadt Aachen die Wahrnehmung dieser Aufgaben wiederum auf den Kreis Aachen. Mit Vereinbarung vom 03.01.2008 übertrug der Kreis Aachen die Prozessführung insbesondere in anhängigen Klageverfahren der Bezirksregierung Münster.

Auf Antrag des Klägers vom 17.01.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 12.06.2008 die zu erstattenden Kosten in Höhe von 348,87 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.01.2008 fest.

Am 11.07.2008 hat die Bezirksregierung Münster Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt. Nach der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung bestehe kein Kostenanspruch gegenüber dem Land. Der Kläger trägt vor, das Land sei sehr wohl Kostenschuldner, da das Verfahren bereits vor dem 01.01.2008 abgeschlossen gewesen sei, weswegen das Gesetz vom 30.10.2007 hier keine Anwendung finde.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die Erinnerung ist zulässig und begründet.

Aufgrund der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung zum 01.01.2008 (vgl. hierzu grundlegend Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.02.2008, L 6 SB 101/06; Urteil vom 05.03.2008, L 10 SB 40/06; Sozialgericht - SG - Aachen, Urteil vom 11.02.2008, S 18 SB 187/06) ist die Kostenschuldnerschaft für das bereits am 03.12.2007 abgeschlossene Verfahren auf den Kreis Aachen übergegangen. Damit war der Kreis Aachen auch richtiger Beteiligter des Erinnerungsverfahrens auf Beklagtenseite. Er wurde in diesem Verfahren wirksam durch die Bezirksregierung Münster vertreten. Die durch die Bezirksregierung Münster am 11.07.2008 eingelegte Erinnerung ist damit auch wirksam und innerhalb der Monatsfrist des § 197 Abs. 2 SGG eingelegt worden.

Das SG Dortmund hat allerdings mit Beschluss vom 15.07.2008 (S 7 SB 357/05) entschieden, dass eine Kostentragungspflicht einer Kommune in vergleichbaren Fällen deshalb ausscheide, weil das sog. Straffungsgesetz einen Übergang der Kostenlast aus abgeschlossenen Verfahren nicht ausdrücklich vorsehe. Tatsächlich ist keine ausdrückliche Regelung zum Übergang der Kostenlast ersichtlich. Das Zweite Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 und insbesondere das als dessen Art. 1 erlassene Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen befasst sich ausdrücklich nur mit Fragen der Aufgabenübertragung u.a. nach den §§ 69, 145 SGB IX, mit personalrechtlichen Maßnahmen und mit Kostenfolgen (vgl. die entsprechenden Überschriften im Gesetzestext). Der Abschnitt zu den Kostenfolgen wiederum beschäftigt sich fast ausschließlich mit Personalkosten. Auch aus § 23 Abs. 4 und § 24 ergibt sich nichts anderes (vgl. hierzu die Begründung des Gesetzesentwurfs, LT-Drs. 14/4342). Wenn im Haushaltsplan 2008 den Kommunen eine "im Rahmen der den Kreisen und kreisfreien Städten ... übertragenen Aufgaben ... in Versorgungs- und Schwerbehindertenangelegenheiten zu verwenden(de)" Pauschale u.a. für " Kosten nach dem Sozialgerichtsgesetz" gewährt wird (vgl. die Erläuterungen zu Titel 633 10, Kapitel 11 320, Haushaltsplan NRW 2008), so...

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