Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzungsverfahren. Übertragung des Aufgabenbereiches des Schwerbehindertenrechts in Nordrhein-Westfalen vom Land auf den Kreis und die kreisfreien Städte mit der Folge des Übergangs der Kostenlast aus abgeschlossenen sozialgerichtlichen Verfahren. automatische Reduzierung der fiktiven Terminsgebühr mangels mündlicher Verhandlung

 

Orientierungssatz

1. Die vom Landesgesetzgeber mit Art. 1 Abschn. 1 §§ 1 und 2 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen (BehStraffG NW 2) vom 30.10.2007 (GV NW 2007, 482) durchgeführte Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Aufgabenbereich des Schwerbehindertenrechts (Übertragung auf den Kreis und die kreisfreien Städte) hat auch den Übergang der Kostenlast aus abgeschlossenen sozialgerichtlichen Verfahren zur Folge.

2. Der Umstand, dass eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat, führt nicht zu einer automatischen Reduzierung der Terminsgebühr. Die beiden Kriterien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen - soweit sie allein auf die Annahme des Anerkenntnisses bezogen werden - außen vor bleiben.

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Beklagten vom 24.02.2009 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 07.01.2009 geändert. Kostenschuldner ist der Kreis Düren. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Streitig ist zum einen, wer richtiger Kostenschuldner ist und zum anderen die Höhe von Verfahrens- und fiktiver Terminsgebühr.

In dem zugrunde liegenden Verfahren klagte der Kläger gegen die Herabsetzung eines GdB. Die Klage war gerichtet gegen das Land Nordrhein-Westfalen als damaligen Träger der Versorgungsverwaltung (vertreten durch die Bezirksregierung Münster). Nachdem der Kläger sich im Vorverfahren durch die Sozietät U. und Kollegen hatte vertreten lassen, wechselte er während des Klageverfahrens den Bevollmächtigten. Das Verfahren endete am 20.12.2007 durch schriftliche Annahme eines ebenfalls schriftlichen Anerkenntnisses - auch hinsichtlich der Kosten.

Mit Gesetz vom 30.10.2007 löste das Land Nordrhein-Westfalen die Versorgungsämter mit Wirkung zum 01.01.2008 auf und übertrug die von diesen bis dahin wahrgenommenen Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX den Kreisen und kreisfreien Städten. Mit Vereinbarung vom 02.01.2008 übertrug der Kreis Düren die Prozessführung insbesondere in anhängigen Klageverfahren der Bezirksregierung Münster.

Auf Antrag der Klägerin vom 21.04.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 07.01.2009 die zu erstattenden Kosten in Höhe von 559,30 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.04.2008 fest. Dabei berücksichtigte er eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG sowie eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG jeweils in Höhe der Mittelgebühr. Der Beschluss ging der Bezirksregierung Münster am 29.01.2009 zu.

Am 24.02.2009 hat die Bezirksregierung Münster Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt. Nach der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung bestehe kein Kostenanspruch gegenüber dem Land. Da auch im Vorverfahren eine anwaltliche Vertretung erfolgt sei, komme als Verfahrensgebühr nur die Nr. 3103 VV-RVG in Betracht. Hinsichtlich der Terminsgebühr seien die Kriterien des § 14 RVG einzeln zu prüfen. Da Umfang und Schwierigkeit der Annahme eines Anerkenntnisses gleich "0" seien, sei die Mittelgebühr um die Hälfte der Differenz von Mindest- und Mittelgebühr abzusenken.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II. Die zulässige Erinnerung ist im Hinblick auf die Kostenschuldnerschaft begründet, im Hinblick auf die Gebührenhöhe unbegründet.

Aufgrund der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung zum 01.01.2008 (vgl. hierzu grundlegend Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.02.2008, L 6 SB 101/06; Urteil vom 05.03.2008, L 10 SB 40/06; Sozialgericht - SG - Aachen, Urteil vom 11.02.2008, S 18 SB 187/06) ist die Kostenschuldnerschaft für das bereits am 20.12.2007 abgeschlossene Verfahren auf den Kreis Düren übergegangen. Damit war der Kreis Düren auch richtiger Beteiligter des Erinnerungsverfahrens auf Beklagtenseite. Er wurde in diesem Verfahren wirksam durch die Bezirksregierung Münster vertreten. Die durch die Bezirksregierung Münster am 15.07.2008 eingelegte Erinnerung ist damit wirksam und innerhalb der Monatsfrist des § 197 Abs. 2 SGG eingelegt worden.

Das SG Dortmund hat allerdings mit Beschluss vom 15.07.2008 (S 7 SB 357/05) entschieden, dass eine Kostentragungspflicht einer Kommune in vergleichbaren Fällen deshalb ausscheide, weil das sog. Straffungsgesetz einen Übergang der Kostenlast aus abgeschlossenen Verfahren nicht ausdrücklich vorsehe. Tatsächlich ist keine ausdrückliche Regelung zum Übergang der Kostenlast ersichtlich. Das Zweite Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 und insbesondere das als dessen Art. 1 e...

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