Rz. 39

Sind in Anrechnungsfällen mehrere Pauschalen entstanden, so stellt sich die Frage, wie sich die Gebührenanrechnung auf die Höhe der Pauschale auswirkt.

 

Rz. 40

Nach dem AG Pankow/Weißensee[58] sollen auch die Pauschalen aufeinander angerechnet werden. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Pauschalen selbst werden nie angerechnet, da es hierzu an einer gesetzlichen Vorschrift fehlt.[59]

 

Rz. 41

Nach einem Teil der Rspr. und Lit. soll die Postentgeltpauschale nur aus dem Gebührenaufkommen nach Anrechnung ermittelt werden.[60]

 

Beispiel: Der Anwalt ist beauftragt, außergerichtlich eine Forderung i.H.v. 500 EUR beizutreiben. Da der Schuldner nicht zahlt, erwirkt er auftragsgemäß einen Vollstreckungsbescheid.

Außergerichtliche Tätigkeit:

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   114,40 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme (netto) 134,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   25,54 EUR
Gesamt   159,94 EUR

Mahnverfahren:

 
1. 1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305   88,00 EUR
2. 0,5-Vollstreckungsbescheidverfahrensgebühr, VV 3308   44,00 EUR
3. gemäß VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65-Gebühr   – 57,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 74,80 EUR)   14,96 EUR
  Zwischensumme (netto) 89,76 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   17,05 EUR
Gesamt   106,81 EUR

Diese Berechnung ist unzutreffend. Nach dem eindeutigen Wortlaut der VV 7002 richtet sich die Postentgeltpauschale nach den gesetzlichen Gebühren und nicht nach denjenigen Gebühren, die nach Anrechnung verbleiben. Derjenige Betrag, der nach Anrechnung verbleibt, ist lediglich eine Berechnungsgröße. Die anzurechnenden Gebühren und die Gebühren, auf die anzurechnen ist, bleiben trotz der Anrechnung bestehen und behalten ihre Eigenständigkeit. Dies ist jetzt durch § 15a Abs. 1 klargestellt (siehe § 15a Rdn 56).

 

Rz. 42

Die Postentgeltpauschale ist daher nach zutreffender Ansicht aus dem gesamten Gebührenaufkommen vor Anrechnung zu ermitteln.[61] Im vorangegangenen Beispiel (siehe Rdn 41) ändert sich für die vorgerichtlichen Kosten nichts; für die Tätigkeit im Mahnverfahren ist dagegen wie folgt zu rechnen:

 

Mahnverfahren:

 
1. 1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305   88,00 EUR
2. 0,5-Vollstreckungsbescheidverfahrensgebühr, VV 3308   44,00 EUR
3. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65-Gebühr   – 57,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 132,00 EUR)   20,00 EUR
  Zwischensumme (netto) 94,80 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   18,01 EUR
Gesamt   112,81 EUR
 

Rz. 43

Diese Berechnung gilt auch dann, wenn aufgrund der Anrechnung in der nachfolgenden Angelegenheit letztlich überhaupt keine Gebühren verbleiben, die der Anwalt noch verlangen kann:

 

Beispiel: Der Anwalt hat wegen eines Betrages i.H.v. 5.000 EUR das Mahnverfahren durchgeführt. Anschließend kommt es zum Rechtsstreit, der sich jedoch vorzeitig erledigt.

I. Mahnverfahren

 
1. 1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305   334,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme (netto) 354,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   67,26 EUR
Gesamt   421,26 EUR

II. Rechtsstreit

 
1. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101 Nr. 1   267,20 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen   – 267,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 267,20 EUR)   20,00 EUR
  Zwischensumme (netto) 20,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   3,80 EUR
Gesamt   23,80 EUR

Der Anwalt kann also auch hier die volle Postentgeltpauschale einfordern, obwohl ihm für den Rechtsstreit letztlich keine zusätzlichen Gebühren mehr zustehen.[62]

 

Rz. 44

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch dann, wenn die anzurechnende Gebühr ihrerseits wiederum auf eine andere Gebühr anzurechnen ist.

 

Beispiel: Der Anwalt wird zunächst beauftragt, den Mandanten schriftlich zu beraten. Hiernach wird er außergerichtlich tätig. Alsdann erhält er den Auftrag zu einem Urkundenmahnverfahren, an das sich das streitige Urkundenverfahren anschließt. Vor mündlicher Verhandlung wird vom Urkundenverfahren Abstand genommen.

Obwohl alle angefallenen Gebühren, also Ratsgebühr, Geschäftsgebühr, Mahnverfahrensgebühr, Verfahrensgebühr vor und Verfahrensgebühr nach Abstandnahme vom Urkundenprozess aufeinander angerechnet werden, kann der Anwalt aus jeder der Gebühren eine eigene Postentgeltpauschale geltend machen. Er erhält also bei entsprechendem Streitwert fünfmal die volle Pauschale von 20 EUR.

[58] KostRsp. BRAGO § 26 Nr. 21.
[59] AG Hamburg AnwBl 1993, 293; AG Alzey AnwBl 1982, 399.
[60] AG Melsungen JurBüro 2006, 593; LG Berlin JurBüro 1987, 1869; LG Bonn MDR 1991, 65; ebenso Hansens, BRAGO, § 26 Rn 4; ders., JurBüro 1987, 1744; von Eicken, AGS 1996, 109.
[61] AG Kassel AGS 2007, 133 = JurBüro 2006, 592; OLG Köln AGS 1994, 65 = Rpfleger 1994, 432; LG Berlin JurBüro 1982, 1351; JurBüro 1987, 1869; AG Hamburg AnwBl 1993, 293; AG Alzey AnwBl 1982, 399; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7001, 7002 Rn 37; Baldus, DAR 1991, 275; N. Schneider, MDR 1991, 926.
[62] OLG Köln AGS 1994, 65 = Rpfleger 1994, 432.

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