Rz. 58

Nicht anzurechnen ist die Auslagenpauschale nach VV 7002.[50] Denn in VV 3305 ist lediglich davon die Rede, dass die Gebühr anzurechnen ist. Bei der Auslagenpauschale handelt es sich aber gerade nicht um eine solche. Dies ergibt sich auch eindeutig aus dem Gesetz. Denn § 1 Abs. 1 S. 1 trennt hinsichtlich der anwaltlichen Vergütung zwischen Gebühren und Auslagen. Zudem fehlt es an einer gesetzlichen Anrechnungsvorschrift.[51] Zudem stellen Mahn- und streitiges Verfahren unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 2).[52]

 

Rz. 59

Darüber hinaus tritt die Auslagenpauschale aufgrund des anwaltlichen Wahlrechts an die Stelle der tatsächlich entstandenen Auslagen (vgl. Anm. zu VV 7002). Insofern ist es dem Anwalt unbenommen, auch die tatsächlich angefallenen Auslagen abzurechnen. In einem solchen Fall würde allerdings niemand auf die Idee kommen, diese in Folge einer Anrechnung dem Rechtsanwalt nicht zu gewähren.

Sind in solchen Anrechnungsfällen also mehrere Pauschalen entstanden, so stellt sich die Frage, wie sich die Gebührenanrechnung auf die Höhe der Pauschale auswirkt.

 

Rz. 60

Nach einem Teil der Rechtsprechung und Literatur soll die Auslagenpauschale nur aus dem Gebührenaufkommen nach Anrechnung ermittelt werden.[53]

 

Beispiel: Der Anwalt ist beauftragt, außergerichtlich eine Forderung in Höhe von 1.000 EUR beizutreiben. Da der Schuldner nicht zahlt, erwirkt er auftragsgemäß einen Vollstreckungsbescheid.

I. Außergerichtliche Tätigkeit:

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   114,40 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 134,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   25,53 EUR
Gesamt   159,93 EUR

II. Mahnverfahren:

 
1. 1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305   88,00 EUR
2. 0,5-Vollstreckungsbescheidverfahrensgebühr, VV 3308   44,00 EUR
3. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65-Gebühr   – 57,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002 (20 % aus 74,80 EUR)   14,96 EUR
  Zwischensumme 89,76 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   17,05 EUR
Gesamt   106,81 EUR
 

Rz. 61

Diese Berechnung ist unzutreffend. Nach dem eindeutigen Wortlaut der VV 7002 richtet sich die Auslagenpauschale nach den (gesetzlichen) Gebühren und nicht nach denjenigen Gebühren, die nach Anrechnung verbleiben. Derjenige Betrag, der nach Anrechnung verbleibt, ist lediglich eine Berechnungsgröße. Die anzurechnenden Gebühren und die Gebühren, auf die anzurechnen ist, bleiben trotz der Anrechnung bestehen und behalten ihre Eigenständigkeit.[54]

 

Rz. 62

Die Auslagenpauschale ist daher nach zutreffender Ansicht aus dem gesamten Gebührenaufkommen vor Anrechnung zu ermitteln.[55] Im vorangegangenen Beispiel ändert sich für die vorgerichtlichen Kosten nichts; für die Tätigkeit im Mahnverfahren ist dagegen wie folgt zu rechnen:

 

Mahnverfahren:

 
1. 1,0-Mahnverfahrensgebühr, VV 3305   88,00 EUR
2. 0,5-Vollstreckungsbescheidverfahrensgebühr, VV 3308   44,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002 VV (max. 20 %)   20,00 EUR
4. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65-Gebühr   – 57,20 EUR
  Zwischensumme 94,80 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   18,01 EUR
Gesamt   112,81 EUR
 

Rz. 63

Diese Berechnung gilt auch dann, wenn aufgrund der Anrechnung in der nachfolgenden Angelegenheit letztlich überhaupt keine Gebühren verbleiben, die der Anwalt noch verlangen kann:

 

Beispiel: Der Anwalt hat wegen eines Betrages i.H.v. 5.000 EUR das Mahnverfahren durchgeführt. Anschließend kommt es zum Rechtsstreit, der sich jedoch vorzeitig erledigt.

I. Mahnverfahren

 
1. 1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305   334,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 354,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   67,26 EUR
Gesamt   421,26 EUR

II. Rechtsstreit

 
1. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 Nr. 1   267,20 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
3. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen   – 276,20 EUR
  Zwischensumme 20,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   3,80 EUR
Gesamt   23,80 EUR
 

Rz. 64

Der Anwalt kann also auch hier die volle Auslagenpauschale einfordern, obwohl ihm für den Rechtsstreit letztlich keine zusätzlichen Gebühren mehr zustehen.[56]

[50] A.A. AG Pankow/Weißensee KostRsp. BRAGO § 26 Nr. 21.
[51] AG Hamburg AnwBl 1993, 293; AG Alzey AnwBl 1982, 399.
[52] OLG Köln AGS 2007, 344 m. Anm. N. Schneider.
[53] AG Melsungen JurBüro 2007, 593 m. abl. Anm. Enders; LG Berlin JurBüro 1987, 1869; LG Bonn MDR 1991, 65; ebenso Hansens, BRAGO, § 26 Rn 4; ders., JurBüro 1987, 1744; von Eicken, AGS 1996, 109; KG JurBüro 2000, 583.
[54] OLG Nürnberg AnwBl 1963, 106.
[55] AG Siegburg JurBüro 2003, 417; AG Kassel JurBüro 2006, 592; OLG Köln AGS 1994, 65 = Rpfleger 1994, 432; LG Berlin JurBüro 1982, 1351; LG Berlin JurBüro 1987, 1869; AG Hamburg AnwBl 1993, 293; AG Alzey AnwBl 1982, 399; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, § 26 Rn 10; Baldus, DAR 1991, 275; N. Schneider, MDR 1991, 926.
[56] OLG Köln AGS 1994, 65 = Rpfleger 1994, 432.

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