a) Vorheriges Einscannen eines Papier-Dokuments

 

Rz. 159

Anm. Abs. 2 regelt, wie die Dokumentenpauschale zu berechnen ist, wenn die Übermittlung als elektronische Datei vom Auftraggeber ausdrücklich beantragt wird, das Dokument dem Rechtsanwalt aber nur in Papierform vorliegt. In diesem Fall muss das Papier-Dokument vom Rechtsanwalt zunächst in die elektronische Form überführt werden, bevor die Übermittlung als elektronisch gespeicherte Datei erfolgen kann. Nach Anm. Abs. 2 wird für das zuvor erforderliche Einscannen (vgl. dazu Rdn 23 ff.) des Papier-Dokuments mit anschließender Überlassung als elektronisch gespeicherte Datei mindestens der Betrag erhoben wird, der auch bei der Fertigung einer Kopie des Dokuments oder bei der Übermittlung des Dokuments per Fax angefallen wäre.[251] Der frühere Streit, ob dem Rechtsanwalt lediglich die Pauschale von 2,50 EUR bzw. ab 1.8.2013 1,50 EUR oder die Dokumentenpauschale für die in Papierform existierenden Dokumente anfällt, ist damit zugunsten der Dokumentenpauschale für Papier-Dokumente nach Nr. 1 entschieden worden.[252] Da es in Anm. Abs. 2 um die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien geht, kann sich die Regelung nur auf die Dokumentenpauschale nach Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 Buchst. d beziehen, weil Nr. 2 nur für die Fälle der Nr. 1 Buchst. d gilt.

 

Beispiel 1: Der Mandant bittet den Rechtsanwalt, 40 Seiten Kopien einer Behördenakte nicht als Kopien, sondern als elektronisches Dokument zu übersenden. Der Rechtsanwalt scannt die ihm nur in Papierform vorliegenden Unterlagen ein und übersendet die elektronische Datei (pdf) per E-Mail an den Auftraggeber.

Der Rechtsanwalt berechnet nicht 1,50 EUR für die Überlassung der elektronisch gespeicherten Datei, sondern erhält die Dokumentenpauschale wegen Anm. Abs. 2 nach Nr. 1 Buchst. d. Diese beträgt dann 20 EUR:

 
– Dokumentenpauschale, VV 7000 Nr. 1 Buchst. d  
– 40 Seiten x 0,50 EUR 20,00 EUR
– 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 3,80 EUR
Gesamt 23,80 EUR
 

Beispiel 2:[253] Der Rechtsanwalt hat vom Gegner die 40-seitige Klageerwiderung in beglaubigter und einfacher Abschrift erhalten. Der Rechtsanwalt entspricht der Bitte des Mandanten, ihm die Klageerwiderung vorab elektronisch als pdf-Datei zu übersenden.

Hätte der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber die vom Gegner überlassene Klageerwiderung in Papierform zugesandt, wäre eine Dokumentenpauschale nicht angefallen. Die elektronische Datei ist im Auftrag des Mandanten zusätzlich i.S.v. Nr. 1 Buchst. d angefertigt worden. Auch hier erhält der Rechtsanwalt anstelle der Pauschale nach Nr. 2 i.H.v. 1,50 EUR für die Datei nach Anm. Abs. 2 den Betrag, der nach Nr. 1 Buchst. d hätte abgerechnet werden können (20 EUR, Beispiel 1).

[251] BT-Drucks 17/11471 (neu), S. 284, 235, 156.
[252] Vgl Hansens, RVGreport 2012, 2, 12; Enders, JurBüro 2012, 561, 563.
[253] Nach Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrecht, § 3 Rn 1308 f.

b) Unzeitgemäße Regelung

 

Rz. 160

Die Regelung in Anm. Abs. 2 mag vor dem Hintergrund sachgerecht erscheinen, dass nach den üblichen Leasing- oder Nutzungsverträgen für Fotokopierer auch die Erstellung einer pdf-Datei wie eine gewöhnliche Kopie abgerechnet wird.[254] Allerdings weist Müller-Rabe[255] zutreffend darauf hin, dass diese Regelung zu ungerechtfertigten Ergebnissen führt. Rechtsanwälte, die ihr Büro papierlos führen, weil sämtliche Schriftstücke für die elektronische Aktenführung ohnehin grds. eingescannt werden, bleiben nach dieser Regelung ersatzlos und erhalten lediglich die Überlassungspauschale i.H.v. 1,50 EUR pro Datei (vgl. zum Einscannen Rdn 23 ff., 159). Der Rechtsanwalt, der mit kopierten Papierdokumenten arbeitet, kann dagegen das Einscannen eines vom Mandanten zusätzlich gewünschten elektronischen Dokuments mit der regelmäßig höheren Dokumentenpauschale nach Nr. 1 abrechnen.

 

Rz. 161

Abgesehen davon, dass diese Regelung nicht mehr zeitgemäß ist, wenn Papierkopien mit einer höheren Dokumentenpauschale entschädigt werden als überlassene elektronische Dateien, berücksichtigt sie auch nicht, dass der von der Dokumentenpauschale insbesondere abgegoltene Arbeits- und Zeitaufwand[256] vom Rechtsanwalt in beiden Fällen erbracht wird. Sowohl der ohnehin mit einer elektronischen Akte als auch der mit Papierdokumenten arbeitende Rechtsanwalt leisten vor der Überlassung der Dateien nämlich Scanarbeiten (vgl. zum Einscannen Rdn 23 ff.).

[254] Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrecht, § 3 Rn 1306.
[255] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7000 Rn 177.
[256] Vgl. BT-Drucks 10/5113, S. 48; BayLSG AGS 2013, 121 = RVGreport 2013, 153; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 7000 Rn 13; Klüsener, JurBüro 2016, 2.

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