a) Angelegenheit

 

Rz. 47

Die Gebühren nach VV 6300 f. entstehen in jeder Angelegenheit, insbesondere in jedem Rechtszug, gesondert (Anm. zu VV 6300; Anm. zu VV 6302; § 17 Nr. 1).[44] Eine entsprechende Anm. findet sich bei der Terminsgebühr VV 6301 zwar nicht. Da die Anm. zu VV 6300 aber lediglich der allgemeinen Regelung in § 17 Nr. 1 entspricht, entsteht auch die Terminsgebühr in weiteren Rechtszügen neu, soweit der Rechtsanwalt in diesen Rechtszügen an gerichtlichen Terminen teilnimmt, z.B. im Beschwerdeverfahren gegen eine den Rechtszug beendende Entscheidung. Im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren (§§ 58, 70 FamFG) erhält der Anwalt die gleiche Vergütung wie im erstinstanzlichen Verfahren (Anm. zu VV 6300). Er wird also in aller Regel die Verfahrensgebühr nach VV 6300 für die Tätigkeit im Verfahren selbst erhalten.

[44] BGH 29.3.2012 – V ZB 309/10, AGS 2012, 472 = RVGreport 2012, 302.

b) Tätigkeit

 

Rz. 48

Die Verfahrensgebühr VV 6300 im Beschwerdeverfahren entsteht mit der ersten Tätigkeit nach Erteilung des Auftrags, also mit der Einlegung der Beschwerde. Ob es zu einer Entscheidung des Beschwerdegerichts kommt, ist unerheblich. Daher entsteht die Gebühr nach VV 6300 im Beschwerdeverfahren auch dann, wenn das Erstgericht der Beschwerde abhilft.[45]

 

Rz. 49

Nicht erforderlich ist, dass der Anwalt selbst die Beschwerde eingelegt hat. Die Gebühr nach VV 6300 wird im Beschwerdeverfahren daher auch dann ausgelöst, wenn der Betroffene selbst die Beschwerde eingelegt hat, und der Anwalt daraufhin die Sache mit ihm nochmals bespricht.[46]

 

Rz. 50

Darüber hinaus kann der Anwalt die Terminsgebühr nach VV 6301 erneut verdienen, wenn er im Beschwerdeverfahren an einer gerichtlichen Anhörung des Betroffenen oder an der Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen teilnimmt. Unerheblich ist, ob neue Zeugen oder Sachverständige vernommen werden oder ob es sich um dieselben Personen handelt, die bereits erstinstanzlich vernommen worden sind.

[45] LG Aurich NdsRpfl 1976, 259; LG Kiel AnwBl 1983, 332; LG Oldenburg NdsRpfl 1976, 176; LG Osnabrück AnwBl 1975, 405; LG Verden NdsRpfl 1977, 107.
[46] LG Bonn AnwBl 1984, 326.

c) Einlegung der Beschwerde

 

Rz. 51

Nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 ist die Einlegung der Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) beim Gericht desselben Rechtszugs (vgl. § 64 Abs. 1 FamFG) für den in der ersten Instanz tätigen Rechtsanwalt mit der Verfahrensgebühr für diese Instanz abgegolten. Für den erstmals in der Beschwerdeinstanz bestellten Rechtsanwalt gehört die Einlegung zum Beschwerderechtszug und wird mit der dort verdienten Verfahrensgebühr abgegolten. Die Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen ist gem. § 71 Abs. 1 FamFG beim Rechtsbeschwerdegericht einzulegen, sodass der bereits in der Beschwerdeinstanz tätige Rechtsanwalt die Gebühr VV 6300 für das Rechtsbeschwerdeverfahren bereits durch die Einlegung der Rechtsbeschwerde beim Rechtsbeschwerdegericht verdient, weil § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 nicht gilt.

d) Beschwerde gegen einstweilige Anordnung

 

Rz. 52

Wird gegen eine einstweilige Anordnung Beschwerde eingelegt, so entstehen hierfür ebenfalls die Gebühren der VV 6300 ff. erneut (§ 17 Nr. 1),[47] u.U. also neben den Gebühren für die spätere Beschwerde in der Hauptsache, da es sich um verschiedene Rechtmittel handelt (§ 17 Nrn. 1, 4). Auf der Grundlage des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.2012 ist in § 57 S. 2 FamFG klargestellt worden, dass einstweilige Anordnungen über die Genehmigung bzw. Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung Minderjähriger, so wie es bei Volljährigen bereits der Fall war (§ 51 Abs. 3 FamFG), mit der Beschwerde gem. §§ 58 ff. anfechtbar sind. Bei der über die einstweilige Anordnung getroffenen Entscheidung handelt es sich um eine den Rechtszug beendende Entscheidung. Denn § 51 Abs. 3 FamFG stellt klar, dass das Verfahren der einstweiligen Anordnung auch bei Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens ein selbstständiges Verfahren darstellt, die Verfahren also getrennt voneinander zu betrachten sind. Da das Verfahren der einstweiligen Anordnung gegenüber dem Hauptsacheverfahren ein selbstständiges Verfahren ist, bildet die einstweilige Anordnung eine Endentscheidung i.S.v. § 38 FamFG,[48] die mit der Beschwerde gem. §§ 58 ff. FamFG anzufechten ist.[49]

 

Rz. 53

In anderen Beschwerdeverfahren, also bei Beschwerden gegen Entscheidungen, die den Rechtszug nicht beenden (so z.B. nach § 428 Abs. 2 FamFG), erhält der Anwalt keine zusätzliche Gebühr. Solche Tätigkeiten zählen vielmehr noch zur jeweiligen Instanz, in der die Beschwerde erhoben wird, und werden – ebenso wie in Strafsachen – durch die jeweiligen Betragsrahmen- oder Festgebühren abgegolten (VV Vorb. 6 Abs. 1).

[47] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 6300–6303 Rn 10; noch zur BRAGO LG Aurich NdsRpfl 1976, 259; LG Oldenburg AnwBl 1976, 404; NdsRpfl 1982, 85; LG Osnabrück AnwBl 1975, 405; LG Verden NdsRpfl 1977, 107; LG Kiel KostRsp. BRAGO § 112 Nr. 13.
[48] OLG Stuttgart NJW 2009, 2733; OLG Düsseldorf 8.3.2016 – II-7 WF 210/15.

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