Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen Unterbringungsgenehmigung für einen Minderjährigen durch einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die familiengerichtliche Unterbringungsgenehmigung betreffend einen Minderjährigen durch einstweilige Anordnung ist mit der Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG anfechtbar (entgegen OLG Koblenz - Beschluss vom 14.12.2009 - 11 UF 766/09 - veröffentlicht bei juris).

 

Normenkette

FamFG § 167 Abs. 1 S. 1, §§ 57-58, 63 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 05.03.2010; Aktenzeichen 621 F 1189/10)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die zulässige Beschwerde des Verfahrensbeistandes gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 5.3.2010 erledigt ist.

2. Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben, Auslagen werden nicht erstattet (§§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 167 Abs. 1, 159 Abs. 8 FamFG, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 FamGKG).

Verfahrenswert: 1.500 EUR

 

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren hat das AG mit Beschluss vom 5.3.2010 im Wege einstweiliger Anordnung die vorläufige Unterbringung der minderjährigen Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung - befristet bis längstens zum 26.3.2010 - familiengerichtlich genehmigt. die wegen Gefahr im Verzug zuvor nicht erfolgte persönliche Anhörung der Betroffenen ist in Anwesenheit des bestellten Verfahrensbeistandes am 9.3.2010 nachgeholt worden.

Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbeistand mit am 10.3.2010 beim AG eingegangenem Schriftsatz vom 9.3.2010 Beschwerde eingelegt, die dem OLG vorab per Fax am 11.3.2010 und mit der Akte am 12.3.2010 vorgelegt worden ist.

Bereits vor einer Entscheidungsmöglichkeit durch den Senat war die Betroffene am 12.3.2010 aus der geschlossenen Einrichtung entlassen worden. Der Verfahrensbeistand hat daraufhin die Beschwerde für erledigt erklärt.

II. Nach Erledigung des Verfahrens durch die Entlassung der Betroffenen aus der geschlossenen Einrichtung und da eine Entscheidung nach § 62 Abs. 1 FamFG nicht beantragt ist, ist gem. § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden. dabei spricht der Senat - nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage der Vergütung des Verfahrensbeistandes - angesichts der diesbezüglichen widersprüchlichen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung ausdrücklich aus, dass die eingelegte Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig war.

Gemäß § 151 Nr. 6 FamFG handelt es sich bei der vorliegenden Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen um eine Kindschaftssache und damit gem. § 111 Nr. 2 FamFG um eine Familiensache. Daraus wird teilweise hergeleitet, dass § 57 Satz 1 FamFG die Beschwerde gegen eine diesbezüglich im Wege einstweiliger Anordnung ergangene Entscheidung ausschließe (so etwa OLG

Koblenz - Beschluss vom 14.12.2009 - 11 UF 766/09 - veröffentlicht bei juris), wobei teilweise auch die Auffassung vertreten wird, es handele sich bei der Unterbringungsgenehmigung um einen Teilbereich der elterlichen Sorge, so dass nur soweit die Entscheidung auf Grund mündlicher Erörterung ergangen ist die Beschwerde gem. § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG eröffnet sei (so etwa Bruns, Rechtsmittel gegen einstweilige Anordnung zur Genehmigung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung eines minderjährigen Kindes?, FamFR 2010, 100).

Demgegenüber ist der Senat bereits in mehreren Beschlüssen - wenn auch damals ohne vertiefte Auseinandersetzung insb. mit der damals noch nicht veröffentlichten abweichenden Auffassung des OLG Koblenz - davon ausgegangen, dass gegen derartige einstweilige Anordnungen unabhängig von einer mündlichen Erörterung die Beschwerde statthaft sei (Senatsbeschlüsse vom 16.12.2009 - 10 UF 252/09 -; v. 22.12.2009 - 10 UF 258/09).

Daran hält der Senat ausdrücklich fest: Gegen einstweilige Anordnungen über die Genehmigung der Unterbringung Minderjähriger ist die Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG ohne weiteres statthaft:

§ 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG erklärt in Verfahren nach § 151 Nr. 6 FamFG ausdrücklich die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 1 geltenden Vorschriften (insgesamt) für anwendbar. in derartigen Unterbringungssachen ist aber auch ggü. einstweiligen Anordnungen, bei denen es sich nach §§ 38 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG um Endentscheidungen handelt, unmittelbar die Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG eröffnet. Das Verständnis, dass die umfassende Verweisung für die Verfahrensvorschriften in § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Geltung der Beschwerdeeröffnung in Unterbringungssachen betreffend Erwachsene auch für die entsprechenden Unterbringungssachen betreffend Minderjährige eröffnet, ist dabei schon aus dem Gesichtspunkt verfassungskonformer Auslegung geboten: Es ist kein nachvollziehbarer tragfähiger Grund dafür ersichtlich oder geltend gemacht worden, bei Minderjährigen in dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG besonders geschützten Bereich der persönlichen Freiheit bei im Übrigen ausdrücklich identischer Regelung

des Verfahrens allein aufgrund der formalen Bezeichnung als 'Familiens...

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