Rz. 36

 

Beispiel: Der Anwalt wird außergerichtlich im Rahmen von Beratungshilfe tätig. Die Vergütung wird festgesetzt und ausgezahlt. Sodann vertritt der Anwalt den Mandanten auch im Rechtsstreit. Der Mandant erhält Prozesskostenhilfe. Der Rechtsstreit endet ohne Termin. Der Gegenstandswert bzw. Streitwert beträgt 9.000 EUR. Der Anwalt begehrt die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung. Ist bei der Festsetzung der Vergütung im Rahmen von Beratungshilfe die Anrechnung durchzuführen?

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. Geschäftsgebühr, VV 2503   93,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   18,70 EUR
  Zwischensumme 112,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   21,32 EUR
Gesamt   133,52 EUR

II. Vertretung im Rechtsstreit

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, § 49

(Wert: 9.000 EUR)
  426,40 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 446,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   84,82 EUR
Gesamt   531,22 EUR

III. Anrechnung

Im Grundansatz gibt Anm. Abs. 2 S. 1 zu VV 2503 vor, dass der Anrechnungsbetrag 46,75 EUR beträgt (siehe dazu Rdn 29). Weil der Anwalt die volle Vergütung für das außergerichtliche Mandat im Rahmen von Beratungshilfe ohne Anrechnung bereits erhalten hat, folgt aus § 15a Abs. 1, dass die Anrechnung nunmehr auf die Vergütung für die gerichtliche Vertretung erfolgen müsste. Der Anwalt kann aber den anzurechnenden Betrag von 46,75 EUR zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung verrechnen.[62] Die 1,3-Verfahrensgebühr VV 3100 nach der Wahlanwaltsgebührentabelle (zuzüglich Pauschale VV 7002) beträgt 725,40 EUR. Die 1,3 Verfahrensgebühr nach der Prozesskostenhilfegebührentabelle des § 49 (zuzüglich Pauschale VV 7002) beträgt 426,40 EUR. Die Differenz beträgt also 299,00 EUR. Dieser Differenzbetrag ist von dem Anrechnungsbetrag abzuziehen. Es verbleibt damit im Ergebnis kein Anrechnungsbetrag. Dem Anwalt ist die volle Verfahrensgebühr ohne Anrechnung aus der Staatskasse zuzüglich Auslagen festzusetzen, mithin 531,22 EUR. Der Anwalt erhält für das außergerichtliche und das gerichtliche Mandat eine Vergütung von zusammen 664,74 EUR.

Wie im vorherigen Beispiel kommt es wegen der vorrangigen Verrechnung mit Differenzkosten zu keiner Anrechnung. Der rechnerische Unterschied zum vorhergehenden Beispiel beruht also nicht auf der Anrechnungsfrage, sondern darauf, dass in diesem Beispiel für das gerichtliche Mandat die Prozesskostenhilfevergütung und im vorhergehenden Beispiel die Wahlanwaltsvergütung ausgezahlt wurde.

[62] Riedel/Sußbauer/H. Schneider, RVG, VV 2503 Rn 12; Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, VV 2503 Rn 8; Hartung/Schons/Enders/Schons, RVG, VV 2503 Rn 9; a.A. OLG Dresden 30.11.2016 – 20 Wf 1122/16, AGS 2017, 352 = RVGreport 2017, 102; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2500–2508 Rn 41; noch zur BRAGO LG Berlin 22.2.1983 – 82 AR 29/83.

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