Leitsatz (amtlich)

Die Geschäftsgebühr, die ein Rechtsanwalt für seine vorgerichtliche Tätigkeit im Wege der Beratungshilfe erhalten hat, ist zur Hälfte auf die Vergütung des Rechtsanwalts aus einem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach § 49 RVG (und nicht zunächst auf die Differenz zwischen dieser Vergütung und der Wahlanwaltsgebühr) anzurechnen.

 

Verfahrensgang

AG Pirna (Beschluss vom 09.09.2016; Aktenzeichen 31 F 262/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Pirna vom 09.09.2016, 31 F 262/15, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers begehrt die Festsetzung ihrer Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin ohne Abzug der halben Geschäftsgebühr für zuvor erteilte Beratungshilfe.

Dem Antragsteller ist im vorliegenden Umgangs- und Sorgeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der nunmehr beschwerdeführenden Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Der Wert des Verfahrens ist vom Familiengericht auf 6.000,00 EUR festgesetzt worden.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat für ihre vorgerichtliche Tätigkeit im Wege der Beratungshilfe eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV-RVG i.H.v. 85,00 EUR erhalten. Zuzüglich der Pauschale (Nr. 7002 VV-RVG) von 17,00 EUR und der Umsatzsteuer ergab sich ein Gesamtbetrag von 121,38 EUR.

Die von der Verfahrensbevollmächtigten für ihre Tätigkeit als beigeordnete Rechtsanwältin beantragten Gebühren sind antragsgemäß festgesetzt worden, mit Ausnahme des Abzugs in Höhe einer halben Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfevergütung gemäß Nr. 2503 VV-RVG zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Insgesamt ist also ein Betrag von (42,50 EUR zuzüglich Umsatzsteuer 8,08 EUR =) 50,58 EUR nicht festgesetzt worden.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das Familiengericht mit Beschluss vom 09.09.2016 zurückgewiesen. Es hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

II. Über die Beschwerde entscheidet nach der Übertragung durch den Einzelrichter der Senat in voller Besetzung.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Familiengericht die Hälfte der im Rahmen der Beratungshilfe verdienten Geschäftsgebühr (Nr. 2503 VV-RVG) auf die verdienten Gebühren, die sich nach § 49 RVG berechnen, angerechnet.

Gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV-RVG ist die Geschäftsgebühr auf Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Ob diese Gebühr zunächst auf die Differenz zwischen der Gebühr des beigeordneten Rechtsanwaltes gemäß § 49 RVG und die Gebühr des Wahlanwaltes zu verrechnen ist, ist streitig. Ein Teil der Literatur spricht sich dafür aus, die hälftige Beratungshilfegebühr zunächst auf den Differenzbetrag zu verrechnen, so dass die Gebühr nach § 49 RVG voll festzusetzen und auszuzahlen ist (Fölsch in Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 7. Aufl., VV 2503 Rdn. 17 ff.; H. Schneider in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV 2503 Rdn. 12; Pukall in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nr. 2503 VV Rdn. 8; Schons in Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., 2503 VV Rdn. 9). Nach anderer Auffassung ist die halbe Beratungshilfegebühr bereits auf die Vergütung nach § 49 RVG anzurechnen (Jungbauer in Bischof/Jungbauer/Bräuer u.a., RVG, 7. Aufl., Nr. 2503 VV Rdn. 13; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., VV 2500 bis 2508 Rdn. 41; Mümmler, Betrachtungen zum Beratungshilfegesetz, JurBüro 1984, 1125, 1138; LG Berlin, Beschluss vom 22.02.1983, JurBüro 1983, 1060, 1061).

Der Senat hält, wie das Familiengericht, die zweite Auffassung für zutreffend.

Aus der gesetzlichen Verrechnungsanordnung in der zitierten Vorschrift ergibt sich eine Einschränkung dahingehend, dass die Anrechnung zunächst nur auf die Wahlanwaltsvergütung zu erfolgen hat, nicht. Vielmehr sieht sie eine Anrechnung auf "die Gebühren" des anschließenden gerichtlichen Verfahrens vor, also auf alle Gebühren. Das sind auch diejenigen, die sich nach § 49 RVG berechnen.

Auch aus anderen Vorschriften des RVG kann eine solche Einschränkung nicht hergeleitet werden. § 58 Abs. 2 RVG gilt für die Anrechnung von Gebühren nicht. Nach dieser Vorschrift sind Vorschüsse und Zahlungen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen auf Gebühren, sondern um die Frage, inwieweit eine Gebühr auf eine andere Gebühr anzurechnen ist. § 58 Abs. 2 gibt also für die vorliegende Konstellation nichts her.

§ 15a RVG regelt die hier zu entscheidende Frage ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag (Abs. 1). Darum geht es...

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