Rz. 143

Wie die Kosten des gemeinsamen Anwalts der Streitgenossen auf die einzelnen Schuldner zu verteilen sind, schreibt das Gesetz nicht vor. Eine derartige Norm wäre ein verfassungswidriger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatautonomie. Der Gesetzgeber darf insoweit nur Hilfestellungen anbieten, falls für eine individuelle Regelung nichts ersichtlich ist. So wird der kopfteilige Innenausgleich nach § 426 BGB zutreffend als bloße Hilfsregel verstanden (siehe § 7 Rdn 60 ff.), die erst dann eingreifen kann, wenn sich kein anderweitiger Wille der Gesamtschuldner aufzeigen lässt. Wie zu § 7 (siehe § 7 Rdn 65 ff.) ausgeführt, entspricht es der Interessenlage aller Streitgenossen, dass derjenige unter ihnen mit dem höchsten Erstattungsanspruch gegen den (teilweise) kostentragungspflichtigen Gegner den größtmöglichen Anteil soll tragen müssen, um so das Prozesskostenrisiko aller Streitgenossen zu minimieren (siehe § 7 Rdn 87).

 

Rz. 144

Obsiegt nur einer von zwei echten Streitgenossen und meldet dieser nicht lediglich die Hälfte der gemeinsamen Anwaltskosten, sondern seinen vollen Haftungsanteil gem. § 7 Abs. 2 zur Festsetzung an, so ist davon auszugehen, dass er im Innenverhältnis zu dem unterlegenen Streitgenossen diese Kostenlast auch tragen soll. Das Erstattungsbegehren hat seine Kosten des Rechtsstreits zum Gegenstand, die als solche erstattungsfähig sind, soweit sie notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1).

 

Rz. 145

Anwaltskosten sind grds. zu erstatten (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Dem Anspruch des obsiegenden Streitgenossen könnte jedoch entgegenstehen, dass er ihn unredlich erworben habe (§ 242 BGB), weil ihm von den gemeinsamen Anwaltskosten mehr zugeordnet worden sind, als das nach seiner wertmäßigen Beteiligung erforderlich gewesen wäre. Diese Kostenverteilung beurteilt sich jedoch nicht als missbräuchlich, sondern als konsequente Umsetzung einer zulässigen Gestaltungsfreiheit (im Einzelnen siehe § 7 Rdn 89 f.). Im allgemeinen Privatrecht gibt es keine Pflicht zur gleichmäßigen Risikoverteilung. Der unterlegene Gegner kann nicht darauf vertrauen, dass die außergerichtlichen Kosten von Streitgenossen stets gleich hoch sind (Beispiel siehe Rdn 140) oder dass er nur insoweit für mehr als den wertmäßigen Anteil bis hin zu den vollen Anwaltskosten des obsiegenden Streitgenossen einstehen müsse, als der unterlegene Streitgenosse weniger als seinen wertmäßigen Anteil an den gegnerischen Anwalt zahlen kann oder will.[262] Das Gebot von Treu und Glauben verlangt keine rechtliche Unterstützung des Kostenschuldners, indem dieser vor dem Erstattungsanspruch des obsiegenden Streitgenossen bewahrt, hingegen der Risikogemeinschaft der Streitgenossen der Schutz der Rechtsordnung verweigert wird. Deshalb verdient nach wie vor die Ansicht den Vorzug, dass der obsiegende Gesamtschuldner seinen Haftungsanteil gem. § 7 Abs. 2 geltend machen kann.[263]

 

Beispiel: Im Ausgangsfall (vgl. Rdn 140) werden A und B durch denselben Anwalt vertreten. Das Gericht erkennt auf eine Einzelschuld des A, weshalb dieser verliert und B gewinnt. B ist vorsteuerabzugsberechtigt.

B kann wie bei einer Einzelvertretung, also netto alle Anwaltskosten mit Ausnahme des Erhöhungsbetrages nach VV 1008 sowie seine Terminsreisekosten zur Festsetzung anmelden. (Wäre B nicht vorsteuerabzugsberechtigt, würde die dann mögliche Erstattung der Umsatzsteuer die Erklärung erfordern, dass A mit den angemeldeten Umsatzsteuern nicht belastet ist; vgl. § 7 Rdn 101).

[262] So wohl BGH 30.4.2003 – VIII ZB 100/02, MDR 2003, 1140 (VIII. ZS). Anders jedoch BGH 25.10.2005 – VI ZB 58/04, AGS 2006, 92 (VI. ZS), der dem Gegner sogar eine interne Kostenverteilung der Streitgenossen aufbürden will, die über die gesetzliche Haftung des Einzelnen hinausgeht (siehe § 7 Rdn 81).
[263] Ausf. OLG Hamm AGS 2005, 34 = JurBüro 2005, 91 gegen BGH 30.4.2003 – VIII ZB 100/02, MDR 2003, 1140 (VIII. ZS) – zurückgewiesen durch BGH 20.2.2006 – II ZB 3/05, AGS 2006, 620 = MDR 2006, 1193 (II. ZS).

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